Inhalt:
1. Einführung
2. Die sensorische Integration nach A. Jean Ayres
3. Die sensorische Integrationstherapie bei autistischen
   Kindern
4. Literatur

1. Einführung

1.1 Die Geschichte des Autismus

Zum ersten Mal tauchte der Begriff „Autismus“ (von „autos = selbst) 1911 auf, als Eugen Bleuler, ein Psychiater aus der Schweiz, autistische Verhaltensweisen beschrieb. Für ihn waren die Verhaltensauffälligkeiten Rückzug, Kontaktabwehr und Störung des Realitätsbezugs Begleitmerkmale der Schizophrenie.

1943, also gut 30 Jahre später, schilderten sowohl Leo Kanner, als auch Hans Asperger völlig unabhängig voneinander, aber beinahe zeitgleich, ebenfalls Patienten mit autistischen Symptomen. Während Kanner, ein amerikanischer Kinderpsychiater, bei elf Kindern „autistische Störungen des emotionalen Kontakts“ und somit „frühkindlichen Autismus“ diagnostizierte, beschrieb Asperger, ein Wiener Kinderarzt, in seiner Habilitationsschrift Jungen, mit stark ausgeprägtem eigenwilligen Verhalten. Er stellte bei ihnen eine „Extremvariante des männlichen Charakters“ fest.

Insgesamt deutet sehr viel darauf hin, dass es die autistische Störung in seiner Symptomatik schon sehr lange vor der ersten Festlegung der Begrifflichkeit, 1911, gab. Beispiele hierfür sind zum Beispiel die Berichte über Wolfskinder und auch über Kaspar Hauser.

Obwohl die Beschreibungen der Hauptmerkmale der Störung (diese werden in Kapitel 1.2 beschrieben) in den wichtigsten Punkten übereinstimmten, gehen heute die Vermutungen über die Ursachen der Störung und die somit indizierten Therapieformen weit auseinander.

Ein Ursachenmodell ist das der „Sensorischen Integrationsstörung“, das von A. Jean Ayres vorgelegt wurde und im Folgenden näher beschrieben wird.

 

1.2 Die Symptome der autistischen Störung

Die Symptome der autistischen Störung können unter anderem aus dem DSM IV entnommen werden, das gleichzeitig ein diagnostisches Mittel darstellt. Die Symptome werden hier in fünf Abschnitte eingeteilt. Es ist sehr wichtig, klarzustellen, dass nur sehr wenige Menschen mit einer autistischen Störung alle angeführten Symptome aufweisen. Die im Folgenden kurz angeführten diagnostischen Kriterien müssen demnach auch nicht vollständig erfüllt werden. Aus dem Bereich A müssen lediglich sechs Punkte zutreffen (mindestens zwei Punkte aus Teil 1, ein Punkt aus Teil 2 und ein weiterer aus Punkt 3).

 

Übersicht nach dem DSM III-R:

A 1: qualitative Beeinträchtigung der sozialen Interaktion

A 2: qualitative Beeinträchtigungen der Kommunikation

A 3: beschränkte, repetitive und stereotype Verhaltensweisen, Interessen und Aktivitäten

B: Beginn vor dem dritten Lebensjahr und Verzögerungen oder abnorme Funktionsfähigkeit in den Bereichen soziale Interaktion, Sprache als Kommunikationsmittel oder symbolisches Spiel oder Phantasiespiel.

C: Die Störung kann nicht besser durch die Rett-Störung oder die Desintegrative Störung im Kindesalter erklärt werden.

 

2. Die sensorische Integration nach A. Jean

Ayres

2.1 Die Integration der Sinnesreize

Jean Ayres entwickelte die sensorisch-integrative Therapie in den siebziger Jahren speziell für Kinder mit Lernstörungen. Als Ursache für diese Lernstörungen vermutete sie eine mangelhafte Funktion der sensorischen Integration. Unter Integration versteht Ayres „Interaktion und Koordination von zwei oder mehr Funktionen oder Prozessen zur Verbesserung der Anpassungsfähigkeit des Gehirns.“ (Ayres 1979). Ihre sensorische Integrationstherapie soll den Kindern demnach helfen, die sensorischen Reize besser zu organisieren und integrieren.

Die Grundlagen für Ayres Theorie sind der phylogenetische Aufbau des ZNS und das Konzept der Entwicklungssequenzen. Dieses besagt, dass jede neue Entwicklungsstufe vom Stand der Reifung der vorherigen Stufe abhängig ist. Neue Strukturen, die sich entwickeln, wiederholen, verfeinern und verändern die alten Strukturen, können diese aber niemals ersetzen.

Eine bedeutende Rolle spielt der Hirnstamm, das für die sensorische Integration wichtigste Organ des Gehirns. An der Durchführung der sehr komplexen sensorisch-integrativen Prozesse ist vor allem das „Formatio reticularis“ beteiligt, das im Hirnstamm angesiedelt ist. Es wird auch als Hauptkontrollmechanismus des zentralen Nervensystems bezeichnet, da es die Aufgabe hat, eingehende Reizsignale zu verändern. Abhängig von der Bedeutung der Reize für das momentane Überleben des Organismus, bahnt (Facilitation) oder hemmt (Inhibition) es sie. Die für die momentane Situation des Organismus unwichtigen Reize werden also gehemmt, damit bedeutende Reize weitergeleitet werden können. Diese werden dementsprechend facilitiert, damit sie andere Hirnareale leichter erreichen können.

Die höchste Struktur des Nervensystems ist der Neokortex, der stammesgeschichtlich jüngste Teil der Großhirnrinde. Er hat die Fähigkeit, Stimuli sehr spezialisiert zu verarbeiten. Einerseits ist er von den niedrigeren Ebenen des Gehirns abhängig und wird auch von ihnen beeinflusst, andererseits wirkt er auf diese ein und kontrolliert alle weniger umfassenden Strukturen. Dieses verleiht ihm eine gewisse Vormachtstellung innerhalb der Reizintegration, die dafür sorgt, dass ein Kind nicht von den Aktivitäten der niedrigeren Strukturen angetrieben wird. Die Folge daraus wären nach Ayres nämlich Dysfunktionen. Durch diese komplexen Vorgänge wird deutlich, dass die Funktionen des Neokortex nur durch eine Optimierung der sensorischen Integration der untergeordneten Strukturen verbessert werden können. Zum Verlauf der Integration im Gehirn sagt Ayres: „Die Interaktion ist so groß, dass man sich Wahrnehmung nicht als einen Prozess vorstellen kann, der auf irgendeinem Niveau des Gehirns abläuft, sondern als gleichzeitige Funktion aller Stufen.“ (Ayres 1979).

Die eingegangenen Stimuli aller Sinnesorgane werden zuerst an das Stammhirn weitergeleitet. Ayres unterscheidet zwei Reizwahrnehmungssysteme: die Fernsinne und die Nahsinne. Zu den Fernsinnen zählen das auditive und das visuelle System, und zu den Nahsinnen gehören das taktile, das vestibuläre, das propriozeptive, das olfaktorische und das gustatorische System. Für das Überleben eines Organismus haben zwei Systeme die größte Bedeutung:

Das Vestibulärsystem liefert dem Gehirn Aussagen über die Körperhaltung und die Bewegung und ermöglicht diesem somit, eventuell stabilisierend zu reagieren und Beschleunigung oder Verlangsamung zu bewirken.

Das taktile System kann man in zwei Bereiche unterteilen. Der erste ist das taktile Abwehrsystem, welches die Entscheidung fällt, ob ein Reiz als angenehm oder unangenehm, bzw. sogar als Gefahr empfunden wird. Es gibt dem Körper die Möglichkeit, Kampf- oder Fluchtreaktionen auszulösen. Der zweite Bereich ist das unterscheidende System, das Informationen über die Reizqualtitäten, wie zum Beispiel Dauer und Intensität liefert.

Die höheren Hirnebenen benötigen demnach zur Ausschöpfung ihrer besten Leistungsfähigkeit eine optimale Kombination, Verknüpfung und Verschaltung der Informationen der taktilen und vestibulären Sinne. Nach Ayres liegen die Aufgaben des Gehirns darin, „zu filtern, zu organisieren, und eine Masse sensorischer Information zu integrieren, so dass diese zur Entwicklung und Durchführung der Hirnfunktionen genutzt werden kann.“ (Ayres 1979). Interessant ist es hierbei auch, zu beobachten, dass bei Vorhandensein von zum Beispiel visuellen und vestibulären Sinneseindrücken, bevorzugt die vestibulären verarbeitet werden. Ebenfalls spannend ist, dass das gesunde Gehirn die eingegangenen Reize nicht immer nur mit der Sinnesmodalität verarbeitet, die die Reize aufnahm, sondern mit der Modalität, die sie am besten verarbeiten kann.

 

2.2 Die Diagnostik sensorischer Integrationsstörungen

Zur Diagnose von sensorischen Integrationsstörungen wird meistens der SCSIT, der „Southern California Sensory Integration Test“ genutzt. Er erschien 1972 und wurde 1980 neu überarbeitet. Für Kinder im Alter von vier bis acht Jahren ist dieser Test mittlerweile vollkommen standardisiert, für Kinder von neun bis zehn Jahren erst teilweise. Der SCSIT umfasst 17 Subtests, die die Entwicklung eines Kindes in den Bereichen Grob- und Feinmotorik visuelle und taktil-kinästhetische Wahrnehmung überprüfen (eine Übersicht über die Subtests befindet sich im Kapitel 2.2.1). Hierzu sind keine verbalen Äußerungen des Kindes notwendig, es muss allerdings über die Fähigkeit verfügen, Aufforderungen zu verstehen. Die Durchführung des Tests dauert zwischen zwei und vier Stunden. Brand, Breitenbach und Maisel schlagen vor, den Test in drei Abschnitte zu unterteilen und diese an drei verschiedenen Tagen durchzuführen. Sie begründen dieses mit der mangelnden Konzentrationsfähigkeit der Kinder. Die drei Abschnitte orientieren sich an der in Kapitel 2.2.1 angegebenen Reihenfolge, der erste Teilabschnitt endet mit dem 5. Subtest, der zweite mit dem 11. Subtest und der dritte Abschnitt behandelt die letzten 6 Subtests.

Außerdem weisen die oben genannten Autoren darauf hin, dass es eine große Aufgabe für den Testleiter darstellt, die Testanweisung genau zu befolgen und die Dauer dabei so kurz wie möglich zu halten da dazu sehr viel Übung nötig ist.

Übersicht über die Subtests des SCSIT

1. Space Visualization (SV) = räumliche Wahrnehmung

2. Figure-Ground-Perception (FG) = Figur-Grund-Wahrnehmung

3. Position in Space (PS) = Stellung im Raum

4. Design Copying (DC) = Muster nachzeichnen

5. Motor Accuracy - Revised (MAR/MAL) = Motorische Genauigkeit

6. Kinesthesia (KIN) = kinästhetische Wahrnehmung

7. Manual Form Perception (MEP) = Formwahrnehmung durch die Hände

8. Finger Identification (FI) = Fingerunterscheidung

9. Graphestesia (GRA) = Hautzeichnung

10. Localisation of Tactile Stimuli (LTS) = Tast-Lokalisierung

11. Double Tactile Stimuli Perception (DTS) = Gleichzeitige Tasterkennung

12. Imitation of Postures (IP) = Posennachahmung

13. Crossing Mid-Line of Body (CMB) = Überqueren der Körpermittellinie

14. Bilateral Motor Coordination (BMC) = bilaterale motorische Koordination

15. Right-Left-Discrimination (RLD) = Rechts-Links-Unterscheidung

16. Standing Balance - Eyes Open (SBO) = Einbeinstand mit offenen Augen

17. Standing Balance - Eyes Closed (SBC) = Einbeinstand mit geschlossenen Augen

 

2.3 Die Behandlung von Störungen der sensorischer Integration

Die sensorische Integrationstherapie stammt ursprünglich aus der Beschäftigungstherapie. Diese versucht, Menschen mit motorischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten zu Anpassungsreaktionen zu verhelfen. Die Techniken wurden dementsprechend verändert, damit sie auch bei Kindern mit Störungen der sensorischen Integration greifen. Wie weiter oben bereits erläutert, muss es das Ziel der Therapie sein, Integration in den niedrigeren Strukturen des Gehirns zu verbessern, um auch die höheren Strukturen zu optimieren.

Die Tatsachen, dass das Stammhirn die übergeordnete Instanz für die Integration der senso-motorischen Stimuli ist und dass man den Entwicklungsstand eines Kindes sehr gut an dessen motorischer Reifung ablesen kann, hat man sich innerhalb der sensorischen Integrationstherapie dahingehend zunutze gemacht, dass die Behandlung sehr stark motorisch geprägt ist.

In der Therapiesituation werden dem Kind dazu strukturierte und organisierte Stimuli angeboten, so dass das Kind lernen kann, adaptiv zu reagieren. Diese Form der Behandlung, die mit der sensorischen Stimulation und den darauf folgenden körperlichen Reaktionen arbeitet, zeigt mehr Erfolge in der Verbesserung der Wahrnehmung, als zum Beispiel die Konditionierung mit Verstärkern, die psychoanalytische und die medikamentöse Behandlung.

Die Therapie muss immer auf der Stufe einsetzen, auf der das Kind steht und soll von dort aus so nah wie möglich an der normalen Entwicklung der sensorischen Integration angelehnt, weiter verlaufen.

Am wirksamsten ist die Behandlung dann, wenn das Kind die Handlung selbst bestimmt, während die Therapeutin/ der Therapeut die Umgebung lenkt. Sobald ein Kind eine Handlung selber wünscht, ist sein Gehirn auch in der Lage, die damit verbundenen Sinnesreize aufzubauen und richtig zu integrieren.

Brand, Breitenbach und Maisel beschreiben in ihrem Buch „Integrationsstörungen - Diagnose und Therapie im Erstunterricht“ (1995) fünf grundlegende Bedürfnisse von Kindern und speziell Kindern mit Integrationsstörungen, die innerhalb der Therapie unbedingt beachtet werden müssen. Zuerst sollte der Bewegungsdrang bewusst gemacht werden. Kinder haben von Natur aus einen großen Bewegungsdrang, während sie auf das Stillsitzen sehr viel Energie verwenden müssen. Von daher ist es besser, innerhalb der Therapiesitzungen viel Bewegungsfreiheit zu lassen und viele Bewegungsspiele einzubauen. Des weiteren sollten die momentanen Bedürfnisse (Stimmung und körperlicher Zustand) des entsprechenden Kindes vor jeder Sitzung überprüft werden. Das setzt natürlich auch einen sehr flexiblen Therapieplan voraus, der entsprechend der Bedürfnisse umgestellt werden kann. Das natürliche Neugierverhalten, das Grundvoraussetzung für jedes Lernen ist, ist bei Kindern mit einer gestörten Integration sehr oft aufgrund von negativen Erfahrungen verschwunden. Die Behandlung der sensorischen Integrationsstörung sollte deshalb diese Neugier wieder wecken, indem sie innerhalb der Sitzung eine gewisse Spannung aufbaut und aufrechterhält. Auch die Kreativität der Kinder soll in die Therapie mit einbezogen und gefördert werden. Das kann dadurch geschehen, dass das Kind selbst Ideen einbringen kann, die vom Therapeuten aufgegriffen werden. Kinder mit sensorischen Integrationsstörungen sind in ihrer Entwicklung insgesamt beeinträchtigt und befinden sich daher oft noch auf der „magischen Stufe“. Das bedeutet, dass sie noch sehr ausgeprägt in Phantasiewelten leben. Dieses sollte wiederum vom Therapeuten in das Konzept integriert werden, indem er Phantasiespiele in den Therapieplan aufnimmt. Zuletzt muss noch dafür gesorgt werden, dass die Kinder zur sensorischen Integrationstherapie eine Motivation verspüren. Dieses erreicht man leicht dadurch, dass die therapeutischen Ziele in Spiele eingebettet werden. Bei Kindern, die im Spiel mit Altersgenossen ihr Versagen erlebt haben, ist der Spieldrang meistens stark reduziert. Spiele auf dem entsprechenden Integrationsniveau helfen meistens, diesen wieder herzustellen, man sollte Kindern aber zudem die Möglichkeit geben, die schlechten Erfahrungen durch ein erneutes Durchleben einer bestimmten Situation abzubauen.

Die Geräte, die zur Förderung der sensorischen Integration genutzt werden, geben unterschiedliche Möglichkeiten für Berührungen. In den Therapieräumen findet man deshalb zahlreiche Geräte zum Schaukeln, Drehen, Rollen, Klettern, Kriechen, Reiten, zur Ganzkörperbewegung und zudem noch kleinere Gegenstände zum Aufheben, Handhaben und Wegwerfen.

Ayres beschreibt in diesem Zusammenhang zwei Standardgeräte der sensorischen Integrationstherapie ausführlicher: Das Rollbrett und die gepolsterte Schwebeschaukel.

 

2.3.1 Das Rollbrett

Das Rollbrett ist ein gepolstertes Holzbrett auf vier Rollen, die sich in jede Richtung drehen können. Das Brett ist so groß, dass es den mittleren Teil des Körpers des Kindes tragen kann. Das Kind legt sich dann in Bauchlage auf das Brett und hält Arme und Beine entgegen der Schwerkraft hoch. Die Bauchlage hilft bei der Ausbildung von Haltungsreaktionen, die für das Gehen und Stehen, sowie für andere sensomotorische Handlungen notwendig sind. Das Rollen mit dem Rollbrett über schiefe Ebenen liefert dem Vestibulärsystem viele neue Sinnesreize, die zu zahlreichen neuen Verschaltungen führen und somit die Integration fördern. Kinder mit bestimmten Symptomen zeigen unterschiedliche Probleme in der Nutzung des Rollbretts. Kinder mit einem untererregbaren Gleichgewichtssystem lassen Kopf und Beine hängen, wenn sie auf dem Rollbrett liegen und ermüden sehr schnell, weil sie sehr viel Anstrengung aufbringen müssen. Kinder mit einem übererregbaren Gleichgewichtssystem fürchten sich vor der Abfahrt auf einer schiefen Ebene. Dyspraktische Kinder haben bereits Probleme, auf das Rollbrett zu klettern.

Ayres erklärt hierzu: „In dem Maße, in dem das Kind Schritt für Schritt die beim Rollbrettfahren auftretenden Empfindungen und Bewegungsreaktionen zu meistern lernt, begreift sein Gehirn auch, die Sinneseindrücke entsprechend anzupassen und eine genauere Körperwahrnehmung zu entwickeln.“ (Ayres 1984).

Ein weiterer positiver Aspekt des Rollbretts ist, dass das Fahren auf ihm viel Spaß macht, wodurch man es oft einsetzen kann. Denn um eine Integration und Verschaltung der Sinneseindrücke zu erreichen, muss man die entsprechenden Übungen sehr oft und ausdauernd wieder aufnehmen. Findet das Kind keinen Gefallen daran, hat die Behandlung anhand dieses Gerätes keinen Sinn.

 

2.3.2 Die gepolsterte Schwebeschaukel

Die gepolsterte Schwebeschaukel ist eine Polsterrolle mit einem harten Kern. Die Rolle ist ca. 30 cm dick und 1,5 m lang und ist an beiden Enden mit einem Seil an der Decke befestigt. Die Benutzung kann im Liegen oder im Sitzen erfolgen, das Kind kann selber Schwung nehmen oder auf Wunsch kann auch die Therapeutin/ der Therapeut die Schaukel anstoßen.

Liegt das Kind auf der Schaukel, so lässt es Arme und Beine seitlich herunterhängen und umklammert die Rolle, wozu ein gut ausgeprägtes Beugemuster nötig ist. Das Beugemuster im Sinne von Festklammern ist normalerweise die erste vollständige Körperbewegung eines neugeborenen Kindes. Kinder mit Dyspraxien haben noch kein entsprechend entwickeltes Beugemuster und erhalten hierdurch die Möglichkeit, elementare Entwicklungsschritte nachzuholen.

Im Sitzen auf dem Polster kann das Kind „reiten“ und somit Haltungs- und Gleichgewichtsreaktionen entwickeln und trainieren.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass das Kind nicht von der Rolle herunterfallen darf, außer, es möchte und provoziert dieses selbst.

 

3. Die sensorische Integrationstherapie bei

autistischen Kindern

3.1 Störungen der sensorischen Integration bei autistischen Kindern

Die Verarbeitung von eingegangenen Reizen weist gerade bei autistischen Kindern sehr viele Mängel auf. Ayres beschreibt für diese Gruppe speziell drei Aspekte der unzureichenden sensorischen Integration (Ayres 1984):

Es ist wichtig zu verdeutlichen, dass autistische Kinder im Lernen behindert sind, ihre Wahrnehmungsorgane aber in der Regel voll funktionstüchtig sind. Das zeigt sich auch daran, dass diese Kinder Anregungen oder neue Lerninhalte immer gerne annehmen, wenn man sie ihnen in einer für sie angemessenen Form nahe bringt. Die Kinder können sensorische Inputs im ZNS nicht zu verständlichen Informationen verarbeiten. Das hat die typischen autistischen Verhaltensweisen zur Folge, nämlich die Abwendung von den verwirrenden Außenwahrnehmungen, die Bevorzugung gleichartiger, einfacher, immer wiederkehrender Wahrnehmungsmuster und somit eine starke Einschränkung des kindlichen Verhaltens auf einen minimalen Ausschnitt der Realität. Obwohl diese Symptome bei fast allen autistischen Kindern anzutreffen sind, darf man jedoch nicht vergessen, dass alle betroffenen Kinder unterschiedliche Störungen in der Wahrnehmungsverarbeitung aufweisen. Aufgrund dieses Erklärungsansatzes bekommt man die Möglichkeit, die Verhaltensauffälligkeiten autistischer Kinder, z. B. Stereotypien, Veränderungsängste, sprachliche Auffälligkeiten einzuordnen und zu verstehen.

Wie bereits in Kapitel 2.1 beschrieben, werden eingehende Reize immer auf die Sinnesmodalität übertragen, die die besten Fähigkeiten zur Verarbeitung aufweist. Der Transfer von der aufnehmenden Sinnesmodalität zu einer anderen scheint bei autistischen Kindern gestört zu sein.

Zusammenfassend kann man sagen, dass die intakte sensorische Integration die Möglichkeit zu Teilnahme und Mitwirkung am Wechselspiel zwischen Organismus und objektiver Umwelt bietet. Autistischen Kindern bleibt aufgrund ihrer Störung dieser Zugang aber verwehrt. Die Herstellung einer besseren Integration steht damit für eine Verbesserung der gesamten Lebenssituation.

 

3.2 Die Behandlung sensorischer Integrationsstörungen bei autistischen Kindern

Ein Grundsatz für die sensorisch-integrative Therapie ist: „Autistische Kinder lernen am Besten, indem sie etwas selber tun.“ (Ayres 1984).

Bei autistischen Kindern ist eine Therapie sehr schwierig, weil diese sehr oft nur wenig kooperativ sind. Die durch die Therapie entstehende ungewohnte Situation verschreckt manche Kinder, weil sie den normalen Tagesrhythmus stört. Ayres weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich Eltern und Betreuer mit einer ablehnenden Haltung eines Kindes abfinden müssen, bis es selbst bereit ist, eine (neue) therapeutische Handlung zu akzeptieren. Denn jede neue Therapiesituation ist etwas unbekanntes und autistische Kinder dürfen niemals mit zu vielen neuen Dingen überschüttet werden, bevor ihre Integration funktioniert und sie die Situation ertragen können.

Durch die sensorische Integrationstherapie besteht bei autistischen Kindern die Möglichkeit, die Integrationsstörungen zu vermindern oder ganz zu beseitigen, auch wenn Ayres in ihrem Buch „Die Bausteine der kindlichen Entwicklung“ 1984 noch äußerte: „Doch im allgemeinen besteht wenig Berufserfahrung in der Anwendung einer sensorisch integrativen Therapie für autistische Kinder. Einige junge Kinder haben offenbar von dieser Behandlung Vorteil gehabt, während bei anderen nur eine Verbesserung sehr geringer Art erreicht werden konnte, zum Teil auch überhaupt nichts.“ (Ayres 1984). Heute liefert die sensorische Integrationstherapie eine gute Erfolgsquote, so dass man festhalten muss, dass in jeder Form der Autismustherapie demnach auch auf die speziellen Störungen in der sensorischen Integration eingegangen werden sollte.

 

4. Literatur

Ayres, A. Jean „Lernstörungen. Sensorisch-integrative Dysfunktionen“ 1979 Berlin/Heidelberg

Ayres, A. Jean „Bausteine der kindlichen Entwicklung“ 1984 Berlin

Brand, Ingelid; Breitenbach, Erwin; Maisel, Vera „Integrationsstörungen. Diagnose u nd Therapie im Erstunterricht“ 1995 Würzburg

Doering, Waltraud und Winfried „Sensorische Integration. Anwendungsbereiche und Vergleich mit anderen Fördermethoden“ 1990 Dortmund

DSM IV „Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen“

Dzikowski, Stefan; Vogel, Cordula „Störungen der sensorischen Integration bei autistischen Kindern“ 1993 Weinheim

Janetzke, Hartmut R. P. „Stichwort: Autismus“ 1993 München