Manchmal ist es notwendig, einen Schüler im Laufe seines Schullebens in die Gruppe der Schwerstbehinderten einstufen zu lassen, weil die Auswirkungen seiner Behinderung sich verstärken oder den Schüler stärker in seinem (Lern-) Verhalten beeinträchtigen. Eine zeitweise Einzelbetreuung solcher Schüler ist oft zuträglich, ist aber in der Regel nicht möglich, solange keine "Schwerstbehinderung" nach §8 VO-SF vorliegt.

Beispielhaft möchte ich ein Gutachten darstellen. Dieses Gutachten wurde von mir erstellt und es erfolgte letztlich durch das Schulamt eine Einordnung des Schülers in die Gruppe der Schwerstbehinderten.

Name: _________________

Geburtsdatum: XX.XX.XXXX

Schuljahr: 2XXX/ 2XXX

Klasse: Oberstufe X

Betrifft: Zuordnung zur Gruppe der Schwerstbehinderten

 

Sonderpädagogisches Gutachten

Torsten* ist ein Schüler, dessen Emotionalität und Soziabilität sehr starken Schwankungen unterliegen. Er ist phasenweise in der Lage, sich der Gruppe anzupassen und ausdauernd effektiv zu arbeiten, verhindert aber durch sein provokantes und störendes Verhalten häufig auch guten Unterricht.

Torstens Emotionalität ist durch eine große Unsicherheit gekennzeichnet. Diese Unsicherheit versucht er, ebenso wie viele Ängste und Minderwertigkeitsgefühle durch "cooles" Verhalten zu überspielen. Er ist oft nicht in der Lage, Unterrichtsbeiträge sowie Berichte von Mitschülern anzuhören, ohne sie zu kommentieren oder durch erfundene Dinge zu "übertrumpfen". Hiermit versucht er, die Aufmerksamkeit seiner Mitschüler sowie Lehrer zu erlangen und im Mittelpunkt zu stehen.

Auch die Tatsache, dass Torsten sich nicht mit den "Geistigbehinderten" in seiner Klasse/ der Schule identifizieren kann, trägt hierzu bei. Er versucht daher ständig, sich in ein besseres Licht zu rücken. Nur in Einzelgesprächen, in denen seine erfundenen Geschichte durchleuchtet werden, kommt Torsten dann oft von selbst darauf, dass er deutlich übertrieben hat. Aufgrund seiner Wohnsituation (im einem Heim) ist er oft neidisch, wenn seine Mitschüler über ihr Familienleben berichten.

Um besonders "cool" zu wirken, brachte Torsten bereits einige Male alkoholische Getränke mit in die Schule und fiel einmal mit einer mit Benzin gefüllten Colaflasche auf. Mehrere Situationen dieser Art führten zum kurzfristigen Schulausschluss, da eine Gefährdung seiner eigenen Person und der anderen Schüler vorlag. In Gesprächen im direkten zeitlichen Bezug zu diesen Ereignissen ist Torsten nicht einsichtsfähig, sondern stur und trotzig. Erst einige Zeit später ist er manchmal bereit, Fehler einzuräumen.

Da Torsten in seiner Freizeit raucht und ihm dieses aufgrund seines Alters in der Schule nicht erlaubt ist, entfernt er sich innerhalb des Schulalltags gerne zeitweise von der Gruppe. Hierbei verlässt er auch das Schulgelände, ohne dass der zuständige aufsichtsführende Lehrer darüber informiert wird. Es ist aufgrund der Klassensituation jedoch auch nicht möglich, Torsten permanent direkt zu überwachen.

Wie bereits oben angedeutet wurde, ist Torstens Sozialverhalten ebenfalls als sehr wechselhaft zu beschreiben. Zu seinen Mitschülern verhält er sich sehr ambivalent. Während er häufig sehr verständnisvoll, freundlich und hilfsbereit ist, benimmt er sich in Situationen mit einer negativen Gefühlslage abweisend, schroff und verletzlich. Hierbei zielt er auch bewusst auf emotional verletzliche Stellen der Mitschüler ab.

Lehrern gegenüber tritt er vor allem in Situationen, die mit Frustrationserlebnissen oder Reglementierungen verbunden sind, sehr unverschämt und ignorant auf. Hierbei kommt es auch zu Beleidigungen.

Torstens Behinderung ist nicht vordergründig durch die kognitiven Einschränkungen gekennzeichnet, sondern besonders durch die Defizite im sozialen und emotionalen Bereich. Entsprechend liegen die Förderschwerpunkte eindeutig in der Erweiterung seiner sozialen Kompetenzen, dem Aufbau eines positiven Selbstbewusstseins und einer realistischen Selbsteinschätzung. Um Torsten angemessen zu fördern, ist eine zeitweise intensive Einzelbetreuung unbedingt notwendig.

Deshalb empfehle ich die Zuordnung zur Gruppe der Schwerstbehinderten gemäß §8 VO-SF.

Ort, den XX.XX.XXXX

Unterschrift Gutachterin:________________________________

Unterschrift Schulleiter:________________________________

 

*Name wurde selbstverständlich geändert