Inhalt
1. Begriff der Freizeit
2. Bedeutung der Freizeiterziehung für Menschen mit
geistiger Behinderung
3. Freizeitsituation geistig Behinderter
4. Integration
5. Schulische Freizeiterziehung
6. Literatur
1. Begriff der Freizeit
1.1 Unterschiedliche Begrifflichkeiten
- positiver Freizeitbegriff:
- Berufsarbeit stellt einen begrenzten Ausschnitt des menschlichen
Tätigkeitsfelds dar, der zusammen mit anderen Lebenssegmenten (z.B.
Familie, Schule, Freundeskreis, Kultur, Natur, Umwelt) einen zusammenhängenden
Komplex bildet, eine Lebenseinheit
- Lebenseinheit kann nur künstlich in Arbeitswelt und Freizeitwelt
unterteilt werden
- statt dessen eher Bezeichnung als Lebenszeit, die sich durch mehr
oder minder große Dispositionszeit charakterisiert
Bezeichnung: |
Determinations- zeit |
Obligationszeit |
Dispositionszeit |
Beschreibung: |
festgelegte, fremdbestimmte und abhängige
Zeit |
verpflichtende, bindende und verbindliche Zeit
|
frei verfügbare, einteilbare und selbstbestimmbare
Zeit |
Hauptkenn-
zeichen: |
Fremdbestimmung |
Zweckbestimmung |
Selbstbestimmung |
Individuum ... |
... ist zu einer Tätigkeit gezwungen bzw.
in der Ausübung der Tätigkeit räumlich, zeitlich
und inhaltlich festgelegt |
... fühlt sich subjektiv zu einer bestimmten
Tätigkeit verpflichtet, bzw. ist aus beruflichen, familiären,
sozialen, gesellschaftlichen Gründen an die Tätigkeit
gebunden |
... verfügt über wahlfreie, selbst-
und mitbestimmbare Zeitabschnitte |
Beispiele: |
Erwerbsarbeit; Aspekte des Familienlebens; sehr
streng formalisierte Rituale |
zunächst freiwilliges Engagement in der Gemeinde,
im Verein o.ä.; bestimmte Tätigkeiten im sozialen Bereich;
bestimmte familiäre Tätigkeiten |
völlige Freizeit |
- Dispositionszeit umfasst Zeitaufwendungen für
- spielerische Arbeit (psycho-physisch anstrengende, geistig anspannende
und gleichzeitig persönlich befriedigende Tätigkeiten)
- zielgerichtete Beschäftigung
- personenbezogene Tätigkeiten
- partnerschaftsbezogene Tätigkeiten
- kleingruppenbezogene Tätigkeiten
- großgruppen- und gesellschaftsbezogene Tätigkeiten
- sachbezogene Tätigkeiten
- zwanglose Muße
- individuell verfügbare Zeit für Eigentätigkeiten
- zweckfreie Zeit für Nichtbeschäftigtsein
- im Zentrum der freien Zeit steht die zwanglose Muße
- der positive Freizeitbegriff sagt nichts darüber aus, ob das Individuum
- freie Zeit als bloße Möglichkeit zur Selbstverwirklichung
in der Gesellschaft zur Verfügung hat oder
- die ihm durch freie Zeit gegebene Chance zur Selbstverwirklichung
in der Gesellschaft auch zu nutzen versteht
negativer Freizeitbegriff: |
Freizeit = Abwesenheit von Arbeit |
positiver Freizeitbegriff: |
Freizeit = frei verfügbare Zeit |
problematischer Freizeitbegriff: |
Freizeit = Zeit der möglichen freien Tätigkeiten |
assertorischer Freizeitbegriff: |
Freizeit = Zeit der tatsächlichen freien Tätigkeiten
|
- Charakteristika von Freizeit:
- Zeiteinteilung
- Freiwilligkeit
- Zwanglosigkeit
- Wahlmöglichkeit
- Entscheidungsmöglichkeit
- Initiativmöglichkeit
1.2 Geschichtliche Entwicklung der Freizeit (50er
bis 90er Jahre)
- Verlagerung von geplanten Aktivitäten zu unvorbereiteten Zufallsbeschäftigungen
- Wandel der Freizeitgewohnheiten:
- bis in die 50er Jahre: erholungsorientierte Freizeitphase
-
Zeit der Erholung von der geleisteten und für die noch zu leistende
Arbeit
- Ende der 50er Jahre:
- Familie als wichtigste Freizeitbeschäftigung
- Anfang der 60er Jahre:
- Fernsehen
- Freizeit stark von
sozialen Normen abhängig
- 60er und 70er Jahre: konsumorientierte Freizeitphase
- Nutzung
der Zeit zum Geldausgeben und eingeplantem Verschleiß
- Mitte der 70er Jahre:
- Medienkonsum mit Zeitschriften und Zeitungen
lesen, Radio hören und Fernsehen
- 80er Jahre: erlebnisorientierte Freizeitphase
- Zeit zum gemeinsamen
Erleben und zur Entwicklung eines eigenen Lebensstils
- Mitte der 80er Jahre:
- neben dem Medienkonsum auch Telefonieren
- 90er Jahre:
- elektronische Freizeitmedien und Bücherlesen
- mußeorientierte Freizeitphase: Bedürfnis nach Ruhe und
innerer Muße
- Merkmale des neuen freizeitkulturellen Lebensstils:
- Selbst-Aktiv-Sein/ Selbermachen - gegen Organisierung und Verplanung
- Spontaneität/ Selbstentfaltung - gegen Konsumhaltung und Passivität
- Sozialkontakt/ Gemeinsamkeit - gegen Isolation und Vereinsamung
- Sich-Entspannen/ Wohlfühlen - gegen Überforderung und
Stress
- Spaß/ Lebensgenus - gegen Unlust und Leistungszwang
1.3 Entwicklungen im Freizeitbereich geistig behinderter
Menschen
- Entwicklung in der Freizeitförderung bei Menschen mit geistiger
Behinderung seit den 60er und 70er Jahren
- 70er Jahre sind eigentliche Pionierjahre der Freizeitpädagogik
bei Behinderten: Entstehung von Initiativkreisen, Clubs, Aktivitäten
von Jugendgruppen, Sportvereinen und örtlichen Lebenshilfe-Vereinigungen
- 80er Jahre sind geprägt vom Leitgedanken der Integration
2.
Bedeutung der Freizeiterziehung für
Menschen mit geistiger Behinderung
2.1 Funktionen der Freizeit
Bedürfnisse in der Freizeit, anhand derer die Zielfunktionen
abgeleitet werden können
- Rekreation (Erholung und Entspannung)
- Bedürfnis nach Erholung, Gesundheit und Wohlbefinden
- Ausruhen
- gesundheitsfördernde Tätigkeiten
- Kompensation (Ablenkung und Zerstreuung)
- Bedürfnis nach Ausgleich, Zerstreuung und Vergnügen
- Ausgleich von Enttäuschungen und Entbehrungen
- Edukation (Lernen und Weiterbildung)
- Bedürfnis nach Kennen lernen, Lernanregung und Weiterlernen
- Lernen von Freiheit in Freiheit
- soziales Lernen
- Kontemplation (Selbstbesinnung und Selbstfindung)
- Bedürfnis nach Ruhe, Muße und Selbstbesinnung
- Nachdenken
- religiöse Andacht
- Kommunikation (Mitteilung und Partnerschaft)
- Bedürfnis nach Mitteilung, Kontakt und Geselligkeit
- Austausch von Informationen
- Artikulation individueller Bedürfnisse im Dialog
- Sensibilisierung für die Gefühle und Absichten anderer
- Integration (Sozialorientierung und gemeinsame Lernerfahrung)
- Bedürfnis nach Zusammensein, Gemeinschaftsbezug und Gruppenbildung
- Orientierung an Institutionen
- Hineinwachsen in die Gemeinschaft
- Partizipation (Beteiligung und Engagement)
- Bedürfnis nach Beteiligung, Engagement und sozialer Selbstdarstellung
- Teilhabe am gesellschaftlichen Leben
- demokratische Mitsprache
- Enkulturation (Kulturelle Selbstentfaltung und Kreativität)
- Bedürfnis nach kreativer Entfaltung, produktiver Betätigung
und Teilnahme am kulturellen Leben
- Teilnahme an der Gegenwartskultur
- Erlernen kulturtechnischer Fertigkeiten
Spezifische Zielaspekte für die Freizeitförderung bei geistig
Behinderten
- einerseits gilt es, Erschwernisse der Teilnahme am Leben in der Freizeit
auszugleichen, soweit dies Folgen der primären Schädigung sind,
andererseits kommt es in Anbetracht der Einschränkungen sowohl der
persönlichen Selbstverwirklichung als auch der Teilnahme am Gemeinschaftsleben
darauf an, Voraussetzungen für eine soziale Emanzipation zu schaffen,
um den Benachteiligungen entgegenzuarbeiten
- dabei müssen stets die persönliche Situation sowie die spezifischen
Lebensumstände des behinderten Menschen berücksichtigt werden
- Integration:
- Aufhebung der gesellschaftlichen Isolierung
- Persönlichkeitsentfaltung:
- Erweiterung des Erfahrungs- und Erlebnishorizontes
- Weckung von Interessen
- Förderung der Selbständigkeit und des Selbstbewusstseins
- Erholung und Kompensation
- Erneuerung verbrauchter Kräfte
- Ausgleich zu einseitiger, monotoner und ermüdender Beanspruchung
in Schule, Berufs- und Werkstattarbeit
- Hilfen zur Freizeitgestaltung
- Vermittlung von Freizeitfertigkeiten
- Kennen lernen von Freizeitmöglichkeiten
- Hilfen zur selbständigen Auswahl aus einem differenzierten
Angebot
- Weiterbildung
- Festigung und Erweiterung des Wissens und Könnens
- soziales Lernen in Gruppen
- Hilfen zur Lösung von Erwachsenenproblemen
- Entlastung der Familie
- zeitweise Loslösung vom Elternhaus
- Leben in größerer Gemeinschaft
- Möglichkeiten für Familienurlaub
- Begegnungen und Erfahrungsaustausch
- Angebote an die nicht behinderten Geschwister
Weitere Funktionen der Freizeit
Freizeit als "freie Zeit"
- relatives Freisein von Verpflichtungen und Zwängen
- freie Wahlmöglichkeiten
- bewusste Eigenentscheidungen
- soziales Handeln
Bestimmungsmerkmale/ Voraussetzungen der freien Zeit:
- Möglichkeit der eigenen Wahl aus einem Angebot an Tätigkeiten
- Verfügbarkeit über die Zeit, entsprechend der eigenen Neigungen
und Wünsche
- Gelegenheit zur Verwirklichung eigener Ideen und Initiativen
- Freiwilligkeit und Zwanglosigkeit der Teilnahme an gemeinsamen Freizeittätigkeiten
2.2 Ziele von Freizeithilfen bei behinderten Menschen
- Leitziel der Freizeitförderung: Herstellung der Chancengleichheit
- Freizeit muss als eine Form aktiven Verhaltens erlebbar werden
- Ziele von Freizeithilfen:
- materielle und organisatorische Voraussetzungen der Teilnahme an
Freizeitangeboten schaffen
- Bereitstellung von Handlungsmöglichkeiten (Schaffung behindertengerechter
Lebensumwelten, Lösung von Transportproblemen, Sicherstellung erforderlicher
Hilfeleistungen, Öffnung von Freizeit- und Ferienmaßnahmen
für behinderte Menschen)
- Behinderte befähigen, die eigenen Interessen und Wünsche
für ihre Freizeit wahrzunehmen, zu formulieren und zum Ausdruck
zu bringen sowie sie zu vertreten und verwirklichen
2.3 Bedeutung der Freizeiterziehung
- Freizeitförderung vermag auch dem geistig behinderten Menschen
neue Eindrücke zu vermitteln
- in der Begegnung mit anderen Menschen
- in der Veränderung von Tätigkeiten
- in der Erfahrung anderer Lebensräume
- Freizeitförderung schafft neue Impulse durch Freude, Erlebnisse,
Wagnisse und nicht zuletzt durch die Besinnung auf sich selbst
- Freizeitförderung führt darüber hinaus zu
- zeitweises Loslösen vom Elternhaus
- Zusammenleben in Gruppen mit Gleichaltrigen
- neue Aktivitäten
- Erlernen neuer Fertigkeiten
- insgesamt: größere Selbständigkeit und Unabhängigkeit
- Freizeit ist bestimmendes Merkmal für Lebenszufriedenheit und persönliche
Entfaltungsmöglichkeit
- für lange Zeit bestand die Meinung, geistig Behinderte bedürfen
keiner besonderen Hilfen zur Freizeitgestaltung und die Erwartung, die soziale
Integration würde sich im Gefolge ihrer beruflichen Eingliederung „von
selbst“ einstellen
- Freizeiterziehung und Freizeitgestaltung werden auch heute noch in vielen
Wohnheimen, Werkstätten und anderen Rehabilitationseinrichtungen als
luxuriöses Beiwerk oder Ausfüllung leerer Zeit betrachtet, für
die eigentlich niemand zuständig ist
- Freizeit hat die Aufgabe, dem behinderten Erholung und Entspannung,
Zerstreuung und Vergnügen zu bringen, darüber hinaus soll sie
aber auch zur Selbstfindung und Selbstentfaltung verhelfen
- zentrale Funktion der Freizeitförderung im Rahmen der Rehabilitation
Behinderter
- soziale Eingliederung Behinderter vollzieht sich zu einem wesentlichen
Teil im Freizeitbereich
- Bedeutung der Freizeit für den behinderten Menschen liegt besonders
in
- der Vorbeugung von sekundären (psychischen) Behinderungen
- der Förderung der sozialen Kommunikation
- der Stärkung der Aktivität und Selbständigkeit
- dem Ausgleich vielfach erheblich beanspruchender und normbestimmter
Tätigkeiten im Leistungsbereich von Schule und Betrieb
2.4 Elemente der Freizeitgestaltung
- die freie Zeit gehört dem Behinderten, es ist seine Freizeit
- vier mögliche Typen unter den jugendlichen und erwachsenen Menschen
mit geistiger Behinderung, die spezifische Formen der Freizeitgestaltung
erfordern:
- der Selbständige
- der emotional Abhängige
- der lebenspraktisch Abhängige
- der Unselbständige
- Freizeitsituationen
- offene Freizeitsituationen (z.B. Feierabend, Wochenende und Urlaub)
- teiloffene Freizeitsituationen (z.B. Arbeits-, Unterrichts-, Erholungspausen)
- nichtoffene Freizeitsituationen (z.B. Freizeit von Patienten im
Krankenhaus, in Kliniken, in Anstalten)
- Beispiele für Inhalte
- Spiel
- Sport
- bildnerische Techniken
- Tanz
- Theaterspiel
- Wasserspiele und Schwimmen
- Reiten
- Musizieren
3.
Freizeitsituation geistig Behinderter
3.1 Zur Situation
Stellenwert der Freizeit für Behinderte:
- Freizeitbereich hat prinzipiell keine andere Bedeutung für Behinderte
als für nichtbehinderte Menschen
- Freizeitmöglichkeiten können bei behinderten Menschen zur
persönlichen Verselbständigung beitragen oder beispielsweise als
sportliche Aktivitäten sogar therapeutischen Charakter haben
- vorrangig begünstigt die Freizeit viele Vorgänge sozialer
Eingliederung
3.2 Freizeitpädagogik konkret
3.2.1 Aufgaben der Freizeitförderung
Freizeit als Ort der Begegnung
- Begegnung mit altersgleichen Behinderten und Nichtbehinderten ermöglichen
- zur Geselligkeit ermuntern und mit Formen des Zusammenseins vertraut
machen
- Hemmungen, Ängste und Vorurteile im Umgang mit Behinderten und
Nichtbehinderten abbauen
Freizeit als Möglichkeit zur Selbstfindung und Persönlichkeitsentwicklung
- Beratungsgespräche zu individuellen Lebenslagen anbieten
- Freiräume für Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung
öffnen
- Hilfen zur Selbstbestimmung geben
Freizeit als Ort für Erholung und Ausgleich
- Gesundheit, Körperpflege und Fitnesstraining unterstützen
- über Freizeit- und Vergnügungsangebote informieren und zur
Teilnahme anregen
- Therapie- und Fördermaßnahmen ergänzende Freizeitangebote
machen
Freizeit als Ort lebenslanger Weiterbildung und kultureller Entfaltung
- Möglichkeiten zur Erweiterung persönlicher Erfahrungsgrenzen
bieten
- Kreativangebote machen und zur schöpferischen Eigentätigkeit
anregen
- kulturelle Interessen und Hobbys anregen und fördern
3.2.2 Methoden der Freizeitarbeit mit behinderten Menschen
- Prinzip der Animation
- Anregungs- und Aufforderungscharakter
- Prinzip der Freiwilligkeit
- Freiräume oder Rückzugsmöglichkeiten offen halten
oder Alternativangebote machen
- Prinzip der Individualisierung
- Prinzip der Selbstorganisation
- Eigeninitiative und Mitbestimmung bei der Planung und Durchführung
von Freizeitmaßnahmen anregen und fördern
- Prinzip der Zwanglosigkeit
- Freizeitmaßnahmen freihalten von Fremdbestimmung, Leistungszwängen
und disziplinarischen Maßnahmen
- Prinzip des sozialen Lernens
- soziale Erfahrungen erweitern helfen und Möglichkeiten zu kommunikativem
und kooperativem Handeln schaffen
- Prinzip der Normalisierung
- Voraussetzungen eines Freizeitlebens schaffen, das dem Nichtbehinderter
soweit wie möglich nahe kommt
- weitestgehend selbstverständliche Teilnahme behinderter Menschen
an Freizeitmöglichkeiten ermöglichen
- Prinzip der Integration
- behinderte Menschen soweit wie möglich in die Freizeitbereiche
und Freizeitgruppen Nichtbehinderter einbeziehen
- Prinzip der abnehmenden Hilfe
- Freizeitförderung soll helfen, Bedürfnisse und Interessen
erkennen und entwickeln können, so dass der Teilnehmer sie später
allein verwirklichen kann
3.3 Mögliche Einschränkungen des Freizeitverhaltens
von Menschen mit geistiger Behinderung
3.3.1 Chancen und Erschwernisse der Freizeiterziehung
Freizeit kann für den Behinderten zum Problem werden, wenn
- er sich in der Zeit langweilt
- er Freizeittätigkeiten ausführen will (und kann), aber keine
Gelegenheit und Hilfe dazu gegeben wird
- behinderungsbedingte Einschränkungen da sind
bei Behinderten erfüllt Freizeiterziehung andere Funktionen als bei
Nichtbehinderten:
- Hilfen zur Verselbständigung
- Erlernen größerer Unabhängigkeit
- Lernen von sozialem Verhalten
- Entfaltung und Aktivierung der Persönlichkeit
Gruppe der Menschen mit geistiger Behinderung:
- es wird versucht, die Trennung zwischen Schule/ Werkstatt und Wohn-/
Freizeitbereich zu überwinden
- Formen organisierter Freizeit werden für Lernprozesse genutzt
- Freizeitprogramme werden zu Therapieprogrammen
3.3.2 Was kann Freizeit für Menschen mit Behinderungen zum Problem
machen?
wenn betroffene Behinderte ihre Freizeitsituation selbst als Problem ansehen
- sich ausgeschlossen fühlen von Freizeitmöglichkeiten
- Langeweile, Eintönigkeit, Unzufriedenheit, Unwohlsein
- sich unausgefüllt fühlen
- Resignation infolge vielfältiger Frustrationserlebnisse
- Erlebnisse von Vorurteilen und kontaktvermeidendem Verhalten bei nichtbehinderten
Menschen
wenn behinderungsbedingte Einschränkungen zu erheblichen Abweichungen
vom durchschnittlichen Freizeitverhalten anderer Menschen führen
- erheblich mehr Freizeit bei Behinderten, weil übliche Rollenanforderungen
(Beruf, Ausbildung) nicht nachgekommen werden kann
- Einschränkungen der freien Zeit durch erhöhten Zeitaufwand
für persönliche Verrichtungen, therapeutische Behandlungen, erhöhtes
Ruhe- und Erholungsbedürfnis usw.
- durch Klinik, Wohnheime oder Berufsbildungswerk bedingte Lebensverhältnisse
mit starren zeitlichen Reglementierungen
- große Abhängigkeiten im alltäglichen Leben durch Notwendigkeit
persönlicher Hilfen
- Einschränkungen zwischenmenschlicher Kontaktmöglichkeiten
durch Sprachbehinderungen oder Schädigungen der Sinne Hören und
Sehen
wenn Behinderte ein bestimmtes Freizeitverhalten verwirklichen möchten
und auch könnten, aber die Verwirklichungsmöglichkeiten fehlen
- nicht zugängliche oder fehlende Freizeit- oder insbesondere auch
Ferienangebote
- durch architektonische oder technische Probleme begrenzte Teilnahmemöglichkeiten
an Freizeitaktivitäten
- fehlende organisatorische Voraussetzungen wie Transportmittel, Personalmangel,
Finanzierungsschwierigkeiten, mangelnde Hilfestellung, nicht vorhandene
Hilfsmittel
- Leben in nicht behindertengerechter Wohnung
3.4 Formen der Freizeitgestaltung
spontane Freizeitgestaltung
- Bereitstellung von Handlungsmöglichkeiten in einer behindertengerechten
Lebensumwelt
- Ermöglichung sozialer Kontakte
organisierte Freizeitgestaltung
- Hilfen zum Selbständigkeits- und Sozialtraining
- Freizeitangebote im Wohnbereich
- Freizeitgestaltung außerhalb des Wohnbereichs
- Ferien- und Erholungsmaßnahmen
4. Integration
4.1 Soziales Lernen
- Freizeit ist Lebensbereich mit den geringsten sozialen Zwängen
- Sozialisation: alle erzieherischen Maßnahmen, die zum Erlernen
positiver sozialer Verhaltensweisen führen, zur Übernahme von
Normen der sozialen Umwelt und zum Erlernen von Rollen in verschiedenen
Gruppen
- soziale Erziehung dient der sozialen Integration, sie fördert
- die Sozialfähigkeit
- die Befähigung, sich an
- mitmenschlicher Gesellschaft zu erfreuen
- Kontakte zu anderen leicht und gern herzustellen
- mit anderen zusammenzuleben
5. Schulische
Freizeiterziehung
Freizeitpädagogische Prinzipien bei geistig Behinderten
- freizeitpädagogische Prinzipien in der Schule verwirklichen heißt,
den Anteil der Zeiten und Maßnahmen, in denen der Schüler wahlfrei,
selbst- und mitbestimmend handeln und über Zeit frei verfügen
kann, systematisch zu erweitern und Schule in Richtung partnerschaftlich-offenen
Unterricht umzuorientieren
- Animation
- Angebots-, Aufforderungs-, Anregungscharakter
- Freiwilligkeit
- Freiwilligkeit der Teilnahme gewährleisten
- Individualisierung
- unterschiedliche Bedürfnis- und Motivationsstruktur der Teilnehmer
stets beachten und anzuerkennen
- Selbstorganisation
- Eigeninitiative und Mitbestimmung bei Planung und Durchführung
von Freizeitmaßnahmen anregen und fördern
- Zwanglosigkeit
- freihalten von Leistungszwang, Fremdbestimmung und disziplinarischen
Maßnahmen
- Prinzip: Soziales Lernen
- soziale Erfahrungen erweitern helfen
- Möglichkeiten zu kommunikativem und kooperativem Handeln einräumen
- spontane Gruppenbildung respektieren
- Normalisation
- Freizeitleben ermöglichen, das dem Nichtbehinderter so weit
wie möglich gleicht
- Integration
- so weit wie möglich in Freizeitbereiche und Gruppierungen Nichtbehinderter
einbeziehen und die Begegnung mit Behinderten und Nichtbehinderten ermöglichen
Didaktische Konsequenzen
- Freizeitlernen in der Schule für Geistigbehinderte vollzieht sich
in Formen, die von denen des herkömmlichen, direktiven und allein vom
Lehrer "organisierten" Unterrichts erheblich abweichen und veränderte
Interaktionsformen zwischen Lehrer und Schüler zur Folge haben
- für ein solches Freizeitlernen sind neue Freizeit- und Erlebnisfelder
zu erschließen und zu gestalten, die ein Lernen durch Handeln in Freizeitsituationen
und unterschiedlichen Gruppen innerhalb und außerhalb der Schule ermöglichen
5.1 Freizeiterziehung in den Richtlinien des Landes NRW
5. Fähigkeit, die Sachumwelt erkennen
und mitgestalten zu können
5.6 Fähigkeit, die Freizeit in ihren verschiedenen
Möglichkeiten zu erfahren
5.6.1 Freizeit zur Entspannung und Erholung nutzen (z.B. Musik, Freizeitsportanlagen,
Unterrichtsgänge, Spaziergänge, Radwanderungen, Bilderbücher,
Zeitschriften, Entspannungsgymnastik)
5.6.2 Freizeit zu kreativem Tun nutzen (z.B. Basteln und Werken, Sport, Musik
und Tanz, Briefe schreiben, Gartengestaltung)
5.6.3 Freizeit zur Weiterbildung nutzen (z.B. Reit- und Schwimmkurse, Theater,
Kino, Zoobesuche, VHS-Kurse, Bastelkurse, Rundfunk, Museen, Ausstellungen)
5.2 Freizeiterziehung in den Richtlinien Bayerns
- sich entspannen und erholen
- sich beruhigen lassen (z.B. bewusste Ruhepause)
- Ermüdung wahrnehmen
- Entspannung erleben
- sich entspannen
- Freizeit erleben
- den Wechsel von Ent- und Anspannung erleben
- freie Zeit bewusst erleben
- freie Zeit als angenehm erleben, sich darauf freuen
- Tagesrhythmus von Arbeit und Freizeit erfahren
- Eigene Interessen und Freizeitbedürfnisse entwickeln
- mit augenblicklichen Bedürfnissen umgehen
- eigene Wünsche für die Freizeitgestaltung entwickeln
- Interessen und Hobbys entfalten
- offen sein für neue Erfahrungen
- In der Freizeit aktiv sein
- Bedürfnis nach aktiver Freizeitgestaltung entwickeln
- über Freizeittechniken verfügen (spielen, basteln, handarbeiten,
lesen, Bücher Musik, Sport)
- Freizeit für sich allein gestalten
- selbst initiativ werden
- sich zurückziehen
- Schwierigkeiten überwinden
- Freizeit gemeinsam mit anderen verbringen
- bei gemeinsamer Freizeitgestaltung mitwirken
- bei Freizeit mit anderen Gemeinschaft erleben
- Über Freizeitmöglichkeiten Bescheid wissen
- eigene Wünsche und Fähigkeiten kennen
- eigene Wahlmöglichkeiten erfahren
- sich für etwas entscheiden
- Realisierungsmöglichkeiten abschätzen
- außerschulische Freizeitmöglichkeiten kennen
6. Literatur
- Hoberg, Michael (Hrsg.) (1984): Behinderte Menschen und Freizeit.
Düsseldorf: Eigenverlag
- Kerkhoff, Winfried (1993): Freizeitgestaltung von Menschen mit
Behinderung: Eine freizeitpädagogische Herausforderung. In: Freizeitpädagogik
15, 7-15
- Kitza, Mechthild (1985): Freizeitförderung und organisierte
Freizeitgestaltung bei geistig Behinderten unter dem Aspekt der sozialen
Integration. In: Wieland, Heinz (Hrsg.): Zur Integration geistig behinderter
Menschen in verschiedenen Lebensbereichen. Dortmund: Wulff&Co, 100-148
- Opaschowski, Horst W. (1996): Pädagogik der freien Lebenszeit.
Opladen: Leske und Budrich
- Pohl, Rudolf (1982): Praxis der Freizeiterziehung geistig Behinderter.
In: Kerkhoff, Winfried (Hrsg.): Freizeitchancen und Freizeitlernen für
behinderte Kinder und Jugendliche. Berlin: Marhold, 51-66
- Zielniok, Walter J. (1990): Soziales Lernen bei geistig Behinderten
im Freizeitbereich. In: Bundesvereinigung Lebenshilfe für geistig Behinderte
e.V. (Hrsg.): Freizeit geistig Behinderter. Marburg: Eigenverlag, 116-126
- Zielniok, Walter J. (1990): Versuch einer Standortbestimmung
von Freizeit geistig behinderter Menschen. In: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für geistig Behinderte e.V. (Hrsg.): Freizeit geistig Behinderter.
Marburg: Eigenverlag, 127-143
- Zielniok, Walter J./ Schmidt-Thimme, Dorothea (1990): Gestaltete
Freizeit für Menschen mit geistiger Behinderung. Heidelberg: Ed. Schindele