Inhalt
1. Frühe Ansätze
2. Erste pädagogische
Ansätze
3.
Die Anstaltsgründungen des 19. Jahrhunderts
4. Literatur
1. Frühe Ansätze
- unterschiedliches Verständnis:
- Narren zur Belustigung
- gefürchtete Dämonen
- vereinzelt als "Wesen unter dem besonderen Schutze Gottes"
oder "Segen des Himmels"
- in der Schweiz religiöse Verehrung der Schwachsinnigen
- Sparta: missgebildete und schwachsinnige Kinder wurden aus der Gesellschaft
entfernt und in Schluchten geworfen<
- Rom: Seneca empfahl, Schwachsinnige ins Haus aufzunehmen und sie menschenwürdig
zu behandeln
- Ursache des Schwachsinns galt großes Interesse, verschiedene Ansätze:
- Einwirkung von Dämonen
- Kindstausch durch den Satan
- Strafe Gottes für die Sünden der Vorfahren
- Schwachsinnige lebten in Armenhäusern, Hospitälern, Irrenanstalten,
Zucht- und Tollhäusern oder in der Familie
2.
Erste pädagogische Ansätze
- pädagogisches Interesse am Schwachsinnigen seit Ende des 18. Jahrhunderts
- Pestalozzi: bei ersten Erziehungsversuchen auf dem Neuhof (1777 und
1778) hatte er auch zwei Kinder mit einer geistigen Behinderung in seiner Obhut, er gelangte
zu der Überzeugung: "dass auch Kinder von äußerstem
Blödsinn, die durch gewohnte Härte dem Tollhaus aufgeopfert werden,
durch liebreiche Leitung zu einem ihrer Schwachheit angemessenen, einfachen
Verdienst vom Elend eines eingesperrten Lebens errettet und zur Gewinnung
ihres Unterhalts und zum Genuss eines freien und ungehemmten Lebens geführt
werden können"
- Jean Itard (1774 – 1838), Taubstummenlehrer und Arzt am Taubstummeninstitut
in Paris: gezielter erster Versuch der Erziehung eines schwachsinnigen Jungen:
"Victor, das Wildkind von Aveyron"
- Edouard Seguin (1812 – 1880), Taubstummenlehrer und Arzt, seit 1839
Leiter einer Idiotenschule in Paris: schrieb 1846 erstes Lehrbuch über
die Behandlung der Idiotie
- Gotthard Guggenmoos, Privatlehrer: gründete 1816 erste Schule für
schwachsinnige Kinder in Hallein bei Salzburg in Österreich, jedoch
bestand die Schule nur bis 1835
- Traugott Weise, Lehrer, veröffentlichte 1820 "Betrachtung
über geistesschwache Kinder in Hinsicht der Verschiedenheit, Grundursachen,
Kennzeichen und Mittel, ihnen auf leichte Art durch Unterricht beizukommen"
3.
Die Anstaltsgründungen des
19.
Jahrhunderts
- bei der Errichtung von Anstalten für Schwachsinnige spielten fundamentale
christliche Impulse ebenso wie medizinisch und pädagogisch wissenschaftliche
und humanitäre Ansätze und Einrichtungen große Rolle
Die ersten und bedeutendsten Anstalten des 19. Jahrhunderts:
1838: Pfarrer Karl Georg Haldenwang (1803-1862) gründete "Rettungsanstalt
für schwachsinnige Kinder" in Wildberg (Schwarzwald)
- ging aus der evangelischen "Erweckungsbewegung" hervor
- Rettungshäuser waren ursprünglich für verwahrloste Kinder
gedacht
1841: Schweizer Arzt Johann Jakob Guggenbühl (1816 – 1863) gründete
auf dem Abendberg bei Interlaken eine "Heilanstalt für Kretinen und
blödsinnige Kinder"
- fand weltweite Beachtung, auch wegen Guggenbühls illusionären
Versprechen, Kretinismus sei heilbar
- 1860 wurde Anstalt behördlicherseits geschlossen, Guggenbühl
war in den Verdacht der Scharlatanerie gekommen
- seine Impulse wirkten weiter: körperliche Übungen, pädagogische
Gedanken und Motivation zu neuer Einstellung zum geistesschwachen Menschen
1842: Taubstummenpädagoge Karl Ferdinand Kern (1814 – 1868) gliederte
seine Taubstummenanstalt in Eisenach ein "Institut zur Bildung geistesschwacher
und Blödsinniger" an
1945: Taubstummenpädagoge Carl Wilhelm Saegert (1809 – 1879) errichtete
als Direktor der Königlichen Taubstummenanstalt Berlin in Berlin eine "Heil-
und Bildungsanstalt für Blödsinnige"
- schrieb 1845 Aufsatz "Über die Heilung des Blödsinns
auf intellektuellem Wege"
1847: Kern gründete in Leipzig eigene Anstalt für Geistesschwache
- erste deutsche Anstalt auf privatwirtschaftlicher Grundlage
1847: Arzt Karl Heinrich Rösch gründete Anstalt Mariaberg und führt
dort Wildbergs Arbeit weiter
- er verwertete auch Beobachtungen und Erfahrungen Guggenbühls
1849: Arzt Georg Friedrich Müller (1804 – 1892) gründete "Pflegeanstalt
für Schwachsinnige" in Rieth (später in Stetten/ Remstal)
1852: katholischer Pfarrer Joseph Probst (1816 – 1884) errichtete Cretinenheilanstalt
in Ecksberg bei Mühldorf in Oberbayern auf Grundlage der Theorien Guggenbühls
- keine Massenpflege: jede Gruppe umfasst 8 Kinder
1854: Pfarrer Wilhelm Löhe (1808 – 1872) gründete "Blödenanstalt
Neudettelsau" bei Ansbach
1856: Pädagoge und Arzt Jan Daniel Georgens und Pädagoge Heinrich
Marianus Deinhardt gründeten "Heilpflege- und Erziehungsanstalt Levana"
in Baden bei Wien
1863: Pastor Dr. Heinrich Matthias Sengelmann (1821 – 1899) gründete
die Alsterdorfer Anstalten bei Hamburg
1872: Dr. Friedrich von Bodelschwingh (1831 – 1910) leitet die Anstalt für
Epileptische in Bethel bei Bielefeld
1884: Pfarrer Dominikus Ringeisen (1835 – 1904) gründete die "Ursberger
Anstalten" bei Krumbach
Weiteres
- preußischer Staat ehrte Guggenbühl zwar durch Verleihung
von Verdienstorden, nahm aber keine Kenntnis von Geistigbehinderten im Land
- auch in anderen europäischen Ländern und in den Vereinigten
Staaten von Nordamerika wurden in der Mitte und der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts sie ersten Anstalten für Schwachsinnige gegründet
- an der Erforschung des komplexen Phänomens Schwachsinn und am Aufbau
der Hilfe für Schwachsinnige waren Mediziner, Pädagogen und Theologen
beteiligt
- Kern setzte sich für "Vergesellung" von ärztlicher
Behandlung und pädagogischen Bemühungen ein
- in Zusammenarbeit von Medizinern und Pädagogen gab es jedoch
Verständigungsschwierigkeiten, weil jede Seite gewisse Dominanzansprüche
stellte
- ab 1860 zogen Mediziner sich aus Anstaltsarbeit weitgehend zurück,
Anstalten wurden nicht mehr als Heilanstalten bezeichnet und Mediziner
verlagerten Forschungsarbeiten in Kliniken und Laboratorien
- 1893 forderte der Verein deutscher Irrenärzte, Anstalten generell
unter ärztliche Leitung zu stellen und der Staat Preußen
entsprach dieser Forderung weitgehend, wodurch sich Anstalten wandelten,
weil pädagogische Elemente auf die Anstaltshilfsschule zurückgedrängt
wurden und eine Angleichung der Anstalten an die großen Heil-
und Pflegeanstalten für Geisteskranke erfolgte
4. Literatur
- Klee, Ernst (1985): Dokumente zur Euthanasie. Frankfurt/ Main: Fischer
- Speck, Otto (????): Geschichte. In: Bach, Heinz: Pädagogik der
Geistigbehinderten
- Trus, Armin (1995): Vom Leid erlösen. Frankfurt/ Main: Mabuse