Inhalt
1. "Gewalt"
2. Aggression
3. Definition
"emotionale Vernachlässigung"
4. Definition
"körperliche Vernachlässigung"
5.
Tendenzen des Totmachens nach Wolfensberger
6. Kindesmisshandlung
7. Sexueller Missbrauch
8. Hospitalismus
9. Gewalterfahrungen in engen sozialen Beziehungen
10. Gewalt
in pflegerischen Beziehungen
11. Gewalt und Psychiatrie
12. Allgemeines
13. Literatur
1. "Gewalt"
Definition
- abweichendes, sozial unerwünschtes Verhalten
- negativer Begriff
- kommt in allen Gesellschaftsformen vor
- im bürgerlichen Gesetzbuch und dem Strafgesetzbuch kommt der Begriff
der Gewalt immer weniger vor:
- 1976 Änderung des Begriffs "elterliche Gewalt" in
"elterliche Sorge"
- 1980 Änderung des Begriffs "Zuchtmittel" in "Erziehungsmittel"
- 1992 Änderung des Begriffs "Zwangseinweisung" in
"Unterbringung"
- Definition nach der AGFP (Arbeitsgemeinschaft für Friedenspädagogik):
- Gewalt ist jede Aktion, die das Wohlbefinden von einzelnen Menschen
oder von Menschengruppen physisch, psychisch oder sozial gefährdet.
- Grundformen der Gewalt:
- personale Gewalt (direkte Gewaltausübung)
- Ursache: Tat
- Resultat: Täter und Opfer
- strukturelle Gewalt (indirekte Gewaltausübung,
unsichtbar)
- Ursache: (Macht-) verhältnisse
- Resultat: negative soziale Strukturen, Gruppe
betroffener Menschen
- weitere Definition von Galtung (Friedensforscher):
- Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinträchtigt werden,
dass ihre körperliche und geistige Verwirklichung geringer ist
als ihre mögliche Verwirklichung.
Drei Ebenen der Gewalt
- Mitarbeiter -> Behinderter
- Behinderter -> Mitarbeiter
- Behinderter -> Behinderter
2. Aggression
Definition Aggression
Jede Verhaltenssequenz, deren Zielreaktion die Verletzung einer Person ist,
auf die sie gerichtet ist, wird als Aggression bezeichnet.
Definition Autoaggression
Autoaggressionen sind Verhaltensweisen, die sich gegen den eigenen Körper
richten, die meist stereotyp und mit hoher Geschwindigkeit ablaufen und dem
eigenen Körper physische Schäden oder extreme Reizung zufügen,
wobei, abhängig vom beobachtbaren Grad der Erregung und Spannung, Qualität
und Intensität in andersartig stereotype oder aggressive Verhaltensweisen
übergehen können.
Frustrations-Aggressions-Hypothese
Aggression ist immer die Folge einer Frustration.
Spezifischer: Das Auftreten von aggressivem Verhalten setzt immer die Existenz
einer Frustration voraus und umgekehrt führt die Existenz einer Frustration
immer zu irgendeiner Form von Aggression.
3. Definition "emotionale
Vernachlässigung"
Die emotionale Vernachlässigung bedeutet, dass Eltern oder Erzieher
ihren Kindern durch Unterlassung das für eine gesunde emotionale Entwicklung
notwendige Beziehungs- (Familien-)klima vorenthalten.
4. Definition "körperliche
Vernachlässigung"
Die körperliche Vernachlässigung beinhaltet, dass Eltern (oder
auch eine Gesellschaft) den Kindern durch Unterlassung eines nährenden
und pflegerischen Angebots, ihrer körperlichen Entwicklungsbedürfnisse
die notwendige diätische, medizinische versorgende Beziehung vorenthalten.
5.
Tendenzen des Totmachens nach
Wolfensberger
1. Gesellschaft definiert Gruppe als abweichend: Stigmatisierung,
Entwertung, Isolation
2. Lebenswert der Gruppe wird zur Diskussion gestellt
3. es kommt zu Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit und zu Tötungsversuchen
6. Kindesmisshandlung
Definition:
zur Definition
Kinder, die am meisten betroffen sind:
- Kleinkinder haben keine Möglichkeit zur Anklage
- es ist meistens nur ein Kind aus einer Geschwisterreihe betroffen (und
teilweise auch die Mutter)
- unerwünschte Kinder / außergewöhnliche Kinder
- Kinder mit Verhaltensstörungen
Ausmaße von Misshandlungen:
- Tötung eines Kindes innerhalb von 48 Stunden nach der Geburt =
Kindstötung, nicht Totschlag (Strafmaß ist wesentlich geringer)
- von den 11 Millionen Kindern unter 14 Jahren in der BRD werden 5 - 10
% misshandelt, 1 Million davon werden mit Gegenständen misshandelt,
pro Jahr sterben ca. 1000 Kinder an den Folgen
Münchhausen-by-proxy-Syndrom:
- Die Krankheit eines Kindes wird von einem Elternteil, meistens der Mutter
erfunden oder produziert.
- In der Folge wird das Kind immer wieder medizinischen Untersuchungen
und Behandlungen zugeführt, die häufig mit invasiven diagnostischen
und therapeutischen Maßnahmen verbunden sind.
- Von den Eltern sind Informationen über die wahre Ätiologie
der Erkrankung nicht zu erhalten.
- Prinzipielle reversible Symptome verschwinden, wenn das Kind von den
Eltern getrennt wird.
Eltern/ Umwelt des Kindes
Misshandlung = Spitze des Eisbergs von ungewöhnlichen Kindererziehungspraktiken
Prävention
Kinderschutzbund zielt mehr auf die Ursachen ab, hat für die Kinder
ein Sorgentelefon eingerichtet
Intervention
- bei Verdacht Kind fragen (behutsam und vorsichtig)
- Lehrer kann nur koordinieren (für Hilfe sorgen)
- Lehrer sollte Erstgespräch führen
- Anleitung des Erstgesprächs:
- Kind niemals zum Melder machen
- nie die Worte "Misshandlung" oder "Gewalt" benutzen
- nie nach der Entstehung von Verletzungen fragen
7. Sexueller Missbrauch
- auch Kinder mit einer geistigen Behinderung verarbeiten einen sexuellen
Missbrauch als Desaster
- Definition: Sexueller Missbrauch von Kindern ist eine sexuelle Handlung
eines Erwachsenen mit einem Kind, das aufgrund einer emotionalen und kognitiven
Entwicklung und aufgrund des Machtverhältnisses das zwischen Erwachsenen
und Kindern besteht, das nicht in der Lage ist, informiert und frei dieser
zuzustimmen. Beim Missbrauch nutzt der Erwachsene seine Machtposition und
seine Autorität aus, um das Kind zur Kooperation zu überreden
oder zu zwingen.
- Ein zentraler Moment des Missbrauchs ist die Verpflichtung zur Geheimhaltung
- Hilflosigkeit
- Inzest als häufigste Form des sexuellen Missbrauchs findet dort
statt, wo man das Kind am sichersten währt: in der Familie
8. Hospitalismus
Formen
- infektiöser Hospitalismus
- psychischer Hospitalismus
Gründe für psychischen Hospitalismus
- frühe frustrierende Erlebnisse
- gravierende Mängel in den ersten 12 Lebensmonaten
- bereits im ersten Lebensjahr motorische Entwicklungsverzögerungen
- einseitige Ernährung (Brei)
- Windeln, keine Sauberkeitserziehung
Symptome des psychischen Hospitalismus
- Muskelzuckungen, stereotype automatenhafte Körperbewegungen
- Hände und Füße können in besondere Stellungen gebracht
werden (oft bleiben Hände und Füße in dieser Stellung)
- wird schon im zweiten Lebensjahr deutlich sichtbar
- emotionale Fehlpolungen: Ablehnung gegen Eltern und Pflegepersonal
- Ratlosigkeit, Resignation (sehen keinen Sinn mehr im Leben), Apathie,
Gewichtsverlust, kann bis zum Tode führen
Symptome des Hospitalismus bei Erwachsenen
- Sprachmanierismen
- Haltungsanomalien
- Stereotypien
- sexuelle Auffälligkeiten
- Unsauberkeit/ Nachlässigkeit
- Initiativlosigkeit
- passive Abhängigkeit
- Verlust individueller Besonderheiten
- Autoritätsabhängigkeit
Definition
Hospitalismus (neuer Begriff: Deprivation)ist ein Mangel an körperlicher
und emotionaler Zuwendung.
9. Gewalterfahrungen in engen sozialen
Beziehungen
- Kindesmisshandlung
- strukturelle Gewalt
- sexuelle Gewalt
- Gewalt in Einrichtungen der Behindertenhilfe
- Gewalt in Alten- und Pflegeheimen
10.
Gewalt in pflegerischen Beziehungen
Vernachlässigung:
- aktive Vernachlässigung (mit Absicht)
- passive Vernachlässigung
Misshandlung:
- körperliche Misshandlung
- psychische Misshandlung
- finanzielle Ausbeutung
- Einschränkung des freien Willens
Wer wendet Gewalt an?
- Überforderungssituation
- Frauen, weil sie meistens die Pfleger sind (prozentual sind Männer
gewalttätiger)
- Pflegealltag als Niederlage (mangelnde Dankbarkeit, Pflichterfüllung
als Last)
- Zukunftsabwehr
- Resignation
Wer wird Opfer der Gewalt?
- Nähe
- "Störfaktor" des Lebensentwurfes
- Uneinheitliches Verhalten / Persönlichkeitsveränderung
- eingeschränkte kommunikative Fähigkeiten, Geduld
- abhängig von Pflegeperson
- ist Gewalt, aber auch Nähe schutzlos ausgeliefert
- erlebt Situation als extrem belastend
- Demenz
- ambivalentes Verhalten
- einzige „Waffe“ ist Auslösen von Frustration und Schuldgefühlen
11. Gewalt und
Psychiatrie
Zeit des Nationalsozialismus
- 01.01.1934: Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses
- von 1934 bis 1945 wurden in Deutschland ca. 400.000 Menschen zwangssterilisiert
- als erbkrank galten: angeborener Schwachsinn, zirkuläres Irresein
(manisch-depressiv), erbliche Fallsucht, erblicher Veitstanz (Chorea Huntington),
Schizophrenie, erbliche Blindheit, erbliche Taubheit, schwere körperliche
Missbildung
- 1934 bis 1939 war die Zeit der Zwangssterilisationen (Menschen, die
zwangsweise sterilisiert wurden, bekamen später keine Entschädigung,
weil die Sterilisationen gesetzlich abgesichert wurden)
- von 1939 bis 1941 wurden in zu Euthanasie-Anstalten umfunktionierten
psychiatrischen Kranken ca. 100.000 Menschen ermordet (T4-Aktion: 20 % aller
Menschen in Anstalten sollten „entfernt“ werden; beendet wurde diese Aktion
durch eine Rede des Bischofs von Galen, die die Bevölkerung aufrüttelte)
- von 1942 bis 1944 war die sogenannte „wilde Euthanasie“ (eine illegale
Fortführung der T4-Aktion)
- in den Gaskammern wurde Kohlendioxid eingesetzt, so dass der Sterbevorgang
sehr lange dauerte
- bis 1944 wurde auf den Meldebögen nach den Krankheitssymptomen,
ab 1945 nach der "sozialen Brauchbarkeit" (ähnlich der Formulierung
in WfBs: Mindestmaß wirtschaftlicher Produktivität) gefragt
- die Kindereuthanasie lief von 1939 bis 1944 ungebremst und unabhängig
von der T4-Aktion durch, 5000 Kinder fielen ihr zum Opfer
- wirkliche Todesursachen waren: Barbiturate (Schlafmittel), Medikamentenüberdosen,
Verhungern (Gabe von nur 20 % des Tagesbedarfs)
- Therapien in Anstalten: Dämmerschlafkuren, Kardiazolschocktherapie,
Elektroschocktherapie, Insulinschocktherapie
12. Allgemeines
- es gibt kaum offizielle Fakten
- 80 % der Familien, die zu Hause pflegen, tun dieses selber, nur 20 %
beanspruchen einen Pflegedienst
- Gewaltanwendungen besonders bei primär liegenden Patienten
- ca. 25 % der Menschen mit Down-Syndrom leiden bereits ab dem 40./45.
Lebensjahr an Demenz
13. Literatur
- Egli, J. (1993): Gewalt und Gegengewalt im Umgang mit geistig behinderten
Menschen. Luzern
- Wolfensberger, Wolf: Der neue Genozid an den Benachteiligten, Alten
und Behinderten. Gütersloh
- Landeswohlfahrtsamt Hessen (Hrsg.): Verlegt nach Hardamar - Die Geschichte
einer NS-Euthanasie-Anstalt. Eigenverlag
- Projektgruppe Volk und Gesundheit (Hrsg.): Heilen und Vernichten im
Nationalsozialismus. Verlag und Vertrieb: Tübingen, Vereinigung für
Volkskunde 1982
- Film: Die Hölle von Uckermünde