Copyright-Hinweis:
In diesem Skript habe ich mich wesentlich an dem Buch von Siegfried
Walter: Autismus - Erscheinungsbild, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten
(Persen-Verlag 2001) orientiert, da dieses über eine sehr gute Gliederung
verfügt und einen umfassenden Überblick bietet. An dieser Stelle
vielen Dank an Herrn Walter!
|
Inhalt:
1. Geschichte
2.
Autismus-Theorien
3. Verteilung
4.
Klassifizierung
5. Ursache
6. Symptome/
Merkmale
7. Diagnostik
8.
Gestützte Kommunikation
9. Literatur
10.
Links
1. Geschichte
- 1799 untersuchte und studierte der bekannte
Arzt Itard einen verwilderten Jungen, der im Wald gefunden
worden war - seine Berichte lasse vermuten, dass der Junge autistische Verhaltensweisen
zeigte
- 1911 prägte Bleuler
als erster den Begriff "Autismus" (von "autos" = selbst)
und beschrieb damit eine extreme Selbstbezogenheit eines Individuums
- Bleuler ordnete Autismus den Schizophrenien zu
und wertete ihn somit nicht als eigenständiges Krankheitsbild
- 1943 veröffentlichte Kanner
(amerikanischer Kinderpsychiater) einen Artikel über seine Erfahrungen
mit autistischen Kindern
- Kanner erkannte im Autismus erstmals ein eigenständiges
Krankheitsbild
- 1944 führt Kanner
den Begriff "frühkindlicher Autismus" als medizinischen Ausdruck
ein
- 1944 veröffentlichte Asperger
(österreichischer Kinderarzt) unabhängig von Kanner einen Bericht
über autistische Psychopathien im Kindesalter
- die Ansichten Aspergers
sind widersprüchlich zu denen Kanners, daher Aufspaltung in Kanner-Autisten
und Asperger-Autisten
- 1952 setzte sich van Krevelen
in einem Artikel kritisch mit den Ansätzen Kanners und Aspergers auseinander
- 1971 analysierte van Krevelen
die Gemeinsamkeiten der Ansichten Kanners und Aspergers
- 1958 versuchte Mahler,
die Ursachen des Autismus anhand der von ihr veröffentlichten Entwicklungsphasen
zu analysieren
- 1967 versuchte Bettelheim
ebenfalls, die Ursachen des Autismus mit Hilfe des von ihm erstellten
Modells der Kindheitsentwicklung zu analysieren
- Bettelheims deutliche Schuldzuweisungen an die
Mutter, die seiner Meinung nach wesentlich für die Entstehung des
Autismus verantwortlich ist, lösten in Fachkreisen kontroverse
Diskussionen aus
- 1975 stellten Delacato und
Doman die These auf, dass autistische Kinder nicht psychotisch,
sondern hirnverletzt sind
- 1979 entwickelte Feuser
die Theorie, dass Autismus eine Wahrnehmungsverarbeitungsstörung ist
und das dialektische Verhältnis zwischen Individuum und Umwelt
beim autistischen Menschen somit einer Dysfunktion unterliegt, was wiederum
zu inadäquatem Verhalten und einer gestörten Weiterentwicklung
des Organismus führt
2. Autismus-Theorien
- diese Theorien sind ihres Umfangs wegen in einem gesonderten
Dokument dargestellt (Leider ist der Bereich zur
Zeit noch nicht fertig gestellt!)
3. Verteilung
- es kommen zur Zeit in Deutschland 4 bis 5 Kinder mit Autismus (alle
Formen des Autismus eingeschlossen) auf 10.000 Neugeborene
- es leben ca. 40.000 autistische Menschen in Deutschland
- es gibt eine hohe Dunkelziffer vor allem im Bereich der erwachsenen
Autisten, da viele von ihnen als geistig behindert eingestuft in (Pflege-)
Heimen leben
- Jungen erkranken 3-4mal häufiger als Mädchen
- die meisten Autisten besuchen Schulen für geistig Behinderte
- Autismus ist in allen sozialen Schichten und Nationalitäten zu finden
4. Klassifizierung
5. Ursache
- die genaue Entstehung von Autismus ist bis heute nicht endgültig
geklärt, man geht jedoch von einer Störung der Wahrnehmungsverarbeitung
aus, die ihren Ursprung in einer komplexen Störung des zentralen Nervensystems
hat
- für das Asperger-Syndrom werden genetische Veränderungen sowie Hirnfunktionsstörungen
und neuropsychologische Ausfälle
6. Symptome/
Merkmale
- wie bei nahezu allen Krankheiten und Behinderungen treffen nicht
alle Symptome auf jeden Betroffenen zu
6.1 Frühkindlicher Autismus
- Auffälliges Kontaktverhalten
- wenig Interesse an anderen
- scheinen in eigener Welt zu leben
- suchen selten Augenkontakt
- suchen selten Aufmerksamkeit
- Distanzlosigkeit
- andere Menschen werden höchstens als Werkzeuge benutzt
- Eingeschränkte Kommunikation
- Pronominale Umkehr (vertauschtes Verwenden von Ich und Du)
- Äußern von Wünschen durch Körpersprache
- Experimentieren mit Lauten
- wenig differenzierte Mimik
- kaum Reaktion auf Ansprache
- Beschäftigung mit eigenen Stereotypien
- wenn Sprache, dann selbstbezogen und stereotyp
- kaum Mitteilungsbedürfnis
- Echolalie
- Doppellaute
- Neologismen (Wortneuschöpfungen)
- Intelligenz
- reicht von der geistigen Behinderung bis zur Hochbegabung
- Gleichförmigkeit von Spiel und Bewegung
- Wiederholung von bestimmten Spielabläufen
- Hyperaktivität
- mangelndes Spielverständnis bei sozialen Spielhandlungen
- Beschäftigung mit dem eigenen Körper
- Wahrnehmung
- Über- oder Untersensibilität gegenüber Sinnesreizen
- detailreiche regisitrierung der Umwelt
- besondere Sensibilität für bestimmte Oberflächenstrukturen
- Veränderte Reizverarbeitung (ist auch gleichzeitig Ursache)
- Autoaggressivität
- Überforderung bei Vielzahl von Reizen
- Berührung / Körperkontakt unangenehm
- Bevorzugung ungewöhnlicher Sinneseindrücke
- Weitere Auffälligkeiten
- Beginn innerhalb der ersten drei Lebensmonate
- unbegründete Angstreaktionen
- mangelndes Gefahrenbewusstsein
- Zwänge/Rituale
- Auto-/ Fremdaggression
- Stimmungslabilität/ -schwankungen (viele Autisten sind empfindlich
gegenüber Mondphasen oder Jahreszeiten)
- niedrige Frustrationstoleranz
- z.T. verändertes Schmerz-Empfinden
- häufig: Schlaf-/ Essstörungen
- Stereotypien
- Beharren auf Gleicherhaltung der Umwelt
- veränderte Körperhaltung
- keine Duldung von Berührung
- "Inselbegabung"
6.2 Asperger-Syndrom
- Kontaktverhalten
- qualitative Beeinträchtigungen der gegenseitigen sozialen Interaktionen
- Interesse an der Umwelt
- keine Fähigkeit, Freundschaft zu schließen
- Bereitschaft zu Monologen
-
- Motorik
- motorische Auffälligkeiten
- Intelligenz
- Sprache
- keine Einschränkungen in der Sprachentwicklung
- weiteres
- begrenzte Verhaltensmuster und Interessen, ausgeprägte Sonderinteressen
- keine wesentliche Verzögerung der Sprachentwicklung
7. Diagnostik
7.1 Diagnostik mit Hilfe des DSM-IV
- Polythetischer Diagnoseansatz, Summationsdiagnose (erst wenn bestimmte
Anzahl beobachteter Merkmale aufgetreten ist, darf von Diagnose Autismus
gesprochen werden)
Die Autistische Störung nach DSM-IV
|
A
|
A1
|
Qualitative Beeinträchtigung der
zwischenmenschlichen Beziehungen (hat 4 Unterpunkte, von denen 2 zutreffen müssen)
|
A2
|
Qualitative Beeinträchtigung der Kommunikation (hat 4 Unterpunkte, von denen 1 zutreffen muss)
|
A3
|
Eingeschränkte oder stereotype Verhaltensweisen oder Interessen (hat 4 Unterpunkte, von denen 1 zutreffen muss
|
B |
Beginn vor dem 3. Lebensjahr; Entwicklungs- verzögerungen (hat 3 Unterpunkte, von denen 1 zutreffen muss) |
C |
es handelt sich nicht um das Rett-Syndrom oder die Desintegrative Störung
im Kindesalter |
vgl: Saß/ Wittchen/ Zaudig
(1994): Diagnostisches
und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-IV. Göttingen
|
Die Asperger Störung nach DSM-IV
|
A
|
Qualitative Beeinträchtigung der zwischenmenschlichen Beziehungen (hat 4 Unterpunkte, von denen 2 zutreffen müssen)
|
B |
Eingeschränkte oder stereotype Verhaltensweisen oder Interessen (hat 4 Unterpunkte, von denen 1 zutreffen muss)
|
C
|
Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder
anderen wichtigen Funktionsbereichen
|
D |
kein klinisch bedeutsamer
allgemeiner Sprachrückstand
|
E
|
keine bedeutsamen Veränderungen in der
kognitiven Entwicklung, in der Entwicklung altersgemäßer Selbsthilfefähigkeiten,
im Anpassungsverhalten (außerhalb der sozialen
Interaktion) und im Interesse des Kindes an der Umwelt
|
vgl: Saß/ Wittchen/ Zaudig
(1994): Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer
Störungen DSM-IV. Göttingen
|
7.2 Differentialdiagnostik
Abgrenzung zu anderen Entwicklungsstörungen
- gesunde Kinder: durchleben auch autistische Phasen, die allerdings
nur kurz andauern und somit leicht vom Verhalten autistischer Kinder unterschieden
werden können
- atypischer Autismus: Symptome treten erst verspätet (nicht in
der Frühkindheit) auf oder es fallen nur Störungen in ein bis zwei Symptomgruppen
auf (Beziehungs-, Kommunikations- oder Verhaltensstörungen)
- Tourette-Syndrom: verschiedene motorische und/ oder vokale Tics,
die unter Stress zunehmen
- Rett-Syndrom: tritt nur bei Mädchen auf und geht mit Abbau der
Intelligenz und motorischen Fähigkeiten, stereotypen Handbewegungen, autistischen
Rückzugstendenzen und häufig auch mit epileptischen Anfällen einher
- Heller-Syndrom: ab dem ersten/ zweiten Lebensjahr erfolgt langsamer
motorischer und kognitiver Abbau, der Interessensverlust an der Umwelt und
Stereotypien mit sich bringt
- Hyperkinetische Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien:
es treten Hyperaktivität, geistiger Abbau und Stereotypien gemeinsam auf
- Asperger-Syndrom: Symptome entwickeln sich erst im zweiten oder
dritten Lebensjahr und bedeuten eine sehr gute Entwicklung sprachlicher
und kognitiver Fähigkeiten sowie eine stark verlangsamte motorische
Entwicklung
Abgrenzung zu sprachlichen Entwicklungsstörungen
- expressive Sprachstörung: tritt ab dem zweiten bis dritten Lebensjahr
auf und besteht vor allem in der Schwierigkeit, Wörter und Sätze zu bilden
- rezeptive Sprachstörung: tritt ab dem zweiten bis siebten Lebensjahr
auf und bedeutet Überaktivität, Aufmerksamkeitsdefizite, soziale Anpassungsstörungen,
Sprachstörungen und Echolalie
- Landau-Kleffner-Syndrom: entzündungsbedingte Krampfanfälle verursachen
Abbau von sprachlichen Fähigkeiten
Abgrenzungen zu emotionalen und verhaltensabweichenden Störungen im Kindesalter
- elektiver Mutismus: durch z.B. Schreckerlebnisse verlieren Kinder in
bestimmten sozialen Situationen die Sprache
- Hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens: über einen Zeitraum von
mindestens 6 Monate bestehen Symptome aus den Bereichen Aufmerksamkeitsstörung,
Hyperaktivität und Verhaltensabweichungen
- reaktive Bindungsstörung: durch Vernachlässigung, Missbrauch oder Misshandlung
verursachte Störung, die mit Traurigkeit, emotionalem Rückzug und Aggressionen
einher geht
Abgrenzung zu Kindheitsschizophrenie mit sehr frühem Beginn
- tritt bis zum 10. Lebensjahr erstmalig auf mit besonderen Stimmungsschwankungen,
Beziehungslosigkeit, Wortneuschöpfungen, Interessenseinengung, Angsterlebnissen,
Halluzinationen und Zerfahrenheit auf
Abgrenzung zur geistigen Behinderung
- Behinderung wird durch prä-, peri- oder postnatale Schädigung verursacht,
wirkt sich aber nicht auf die emotionalen Beziehungen aus; liegen Autismus
und geistige Behinderung vor, werden beide Diagnosen gestellt
Abgrenzung zum kindlichen Hospitalismus
- nach längeren Klinik- oder Heimaufenthalten mit emotionaler Unterversorgung
treten Entwicklungsrückschritte und Verhaltensauffälligkeiten auf
7.3 Vor- und Nachteile der Diagnostik
Vorteile |
Nachteile |
- "Gewissheit" für die Eltern
- Schuldgefühle
und Vorurteile können abgebaut werden
- Möglichkeit der Information, um mehr über die Störung zu
erfahren und um das Kind besser zu verstehen
|
- Schock für die Eltern
- es handelt sich wirklich um eine "Behinderung"
- die Störung "wächst sich nicht aus"
|
- man kann sich über Wege zur besseren Unterstützung und Förderung des
Kindes informieren (auch der finanzielle Aspekt spielt hierbei
eine Rolle)
|
- Stigmatisierung
- Versperren von Ausbildungs- und Lebensmöglichkeiten
|
- für das Kind: ernst genommen werden, Hilfe erfahren
|
- für das Kind: Reduzierung auf die Störung
|
8. Gestützte
Kommunikation
8.1 Zielgruppe
- FC ist besonders für Menschen geeignet, die über Sprachkompetenz
verfügen, diese aber ncht anwenden können
8.2 Anbahnung der FC
- Erklärung der Methode
- Feststellung von:
- Händigkeit
- geeignete Sitz-/ Stehposition
- Haltung der Items
- notwendigem Stützlevel
- Angebot altersadäquaten, interessanten Materials
- klassisch zur Übung auf einfachem Niveau anfangen
- Feststellung von Fähigkeiten
- Ist literacy (Fähigkeit zum Lesen und Schreiben) vorhanden?
8.2 Kommunikations-Stufenleiter (nach Rosemary Crossley,
1993)
- Deuten auf ein Objekt, Bild oder Symbol
- Deuten auf ein Ganzwort
- das Gewünschte abschreiben
- Ja/ Nein-Antwort auf eine Frage, einen Vorschlag oder eine Wissensfrage
- Auswahl zwischen wenigen Alternativen
- Antwort in ganzen Sätzen (inhaltlich vorbestimmt)
- Offene Fragen - der Stützer kennt die Antwort nicht
- Konversation (gleichberechtigte Kommunikation: der Stützer ist nicht
mehr der alleinige Frager)
8.3 Problemfelder der FC
- Wortfindungsstörungen
- Tippfehler (Gefahr des "Hineininterpretierens")
8.4 Störungen in der Handfunktion, die eine Stütze
nötig machen
- geringe Auge-Hand-Koordination
- niedriger Muskeltonus
- hoher Muskeltonus
- Probleme bei Streckung und Isolierung des Zeigefingers
- Perseveration (der Benutzer zeigt immer wieder auf die gleiche Stelle)
- beide Hände werden zum Zeigen benutzt, obwohl eine Hand ausreicht
- Tremor
- Radial/ Ulnare Muskelinstabilität (unterschiedlicher Muskeltonus
in Unterarm, Handgelenk und Hand)
- Initiationsprobleme (keine spontane Bewegung vom Benutzer aus)
- Impulsivität)
- proximale Instabilität (instabile Schulter-/ Rumpfhaltung)
- reduzierte propriozeptive Wahrnehmung
9. Literatur
zum Literaturverzeichnis
11. Links
Wichtiger
Hinweis!
Meiner Meinung nach sehr interessante Seiten
zum Thema Autismus
Kennen Sie ebenfalls
gute und interessante Seiten zu diesem oder einem anderen Thema
dieser Seite?
Schicken Sie sie mir hier:
|