2. Sonderpädagogische Grundlagen bei

geistiger Behinderung und

Verhaltensauffälligkeiten

Um die (schulischen) Besonderheiten des Personenkreises, die eine geistige Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten aufweisen, darzustellen, wird in diesem Kapitel zuerst ein Einblick in die allgemeine Geistigbehindertenpädagogik gegeben. Daran anschließend wird das Teilgebiet der Intensivpädagogik vorgestellt, das sich mit zusätzlichen Verhaltensauffälligkeiten beschäftigen muss.

 

2.1 Zielsetzung und Aufgaben der Geistigbehindertenpädagogik

Das pädagogische Handeln in einer Klasse der Schule für Geistigbehinderte unterscheidet sich im wesentlichen von dem der Regelschule. Während dort vorwiegend Wissensvermittlung vorgenommen wird, liegt der Schwerpunkt der Erziehung von Kindern mit einer geistigen Behinderung auf der Ausbildung der eigenen Persönlichkeit, der sozialen Integration, der Entwicklung von Lebenszutrauen, dem Erlernen lebenspraktischer Tätigkeiten und der Vermittlung von Lebensorientierung (vgl. SPECK 1997, 169 ff.). Damit soll nicht ausgesagt werden, dass diese Komponenten in der Regelschule keine Bedeutung finden, jedoch ist ihr Stellenwert in der Schule für Geistigbehinderte deutlich höher.

Auch die didaktischen Methoden der Durchführung von Unterrichtseinheiten sind bei Kindern mit einer geistigen Behinderung von besonderer Natur. Die wesentlichen im allgemeinen anerkannten Prinzipien, die im Unterricht Verwendung finden, sind in der folgenden Tabelle dargestellt:

Tabelle 1: Unterrichtsprinzipien in der Schule für Geistigbehinderte

Individualisierungsprinzip

Jeder Schüler muss in seinem Lernen da abgeholt werden, wo er steht!

Aktivitätsprinzip

Der Mensch lernt im Wesentlichen durch seine eigenen Handlungen!

Ganzheitsprinzip

Dem Schüler muss der ganze Sinn seines Tuns bewusst sein, damit er einzelne Schritte lernen kann!

Prinzip der Lehrziel-Strukturierung

Der Pädagoge muss die Lernroute vorher genau festlegen und sie zielstrebig verfolgen, und darf sie nicht verfrüht abbrechen!

Prinzip der Anschaulichkeit und Übertragung

Die Lernelemente müssen die Lebenswelt des Kindes betreffen und das Gelernte soll im weiteren Verlauf auf andere, ähnliche Lerngegenstände übertragen werden!

Prinzip der Entwicklungsgemäßheit

Die Lernziele und -inhalte müssen dem Entwicklungsniveau des Kindes angepasst sein!

Prinzip des aktionsgeleiteten Sprechens

Die Sprache ist eng mit dem Prozess des Denkens verknüpft!

Prinzip der sozialen Lernmotivierung

Das nahe soziale Umfeld spielt eine große Rolle in der Lernmotivation des Kindes!

(vgl. SPECK 1997, 238 ff.)

Mit Hilfe der oben genannten unterrichtlichen Schwerpunkte und Prinzipien soll eine optimale individuelle Förderung der Schüler mit geistiger Behinderung erreicht werden.

 

2.2 Zielsetzung und Aufgaben der Intensivpädagogik

Im Rahmen der Pädagogik für Schüler mit geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten entstand in den letzten Jahren der Begriff "Intensivpädagogik“ (vgl. BRADL 1994, 124). Mit diesem Begriff soll die Verständigung der beteiligten Berufsgruppen über den Personenkreis mit einer sogenannten "dual diagnosis" (Doppeldiagnose: geistige Behinderung & psychische Störung/ Verhaltensstörung) erleichtert werden. Zu diesem Begriff sagt GRAMPP:

Um der Gruppe der Schüler mit geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten eine optimale Förderung zu bieten, werden an den Pädagogen entsprechend sehr hohe Anforderungen gestellt. Die wichtigsten Elemente einer intensiven Pädagogik sind die Betreuung (Körperpflege, Zuwendung, kognitive Anregung), die Erziehung (an gesellschaftlichen Normen orientiert), die Begleitung (bei der persönlichen Entwicklung, Selbstverwirklichung) und die Bildung (Entwicklung von Fähig- und Fertigkeiten), die gleichzeitig zur Personalisation der Menschen mit geistiger Behinderung notwendig sind (vgl. GRAMPP 1993, 23).

Trotzdem sollte nicht vergessen werden, dass auch bei Menschen mit geistiger Behinderung ohne besondere Verhaltensauffälligkeiten eine recht intensive Pädagogik notwendig ist, so dass die Übergänge zwischen Sonder- und Intensivpädagogik größtenteils fließend sind.

Im Unterricht an der Schule für Geistigbehinderte bereiten Schüler mit Verhaltensauffälligkeiten in der Regel Probleme. Das kann sich z.B. so äußern, dass andere Schüler das Verhalten imitieren oder dass andere Schüler durch das Verhalten gefährdet werden. Alle Beteiligten, in besonderem Maße jedoch der Pädagoge, müssen in der Lage sein, mit der speziellen Auffälligkeit umzugehen und entsprechende Maßnahmen durchzuführen. Wie weitere Probleme bei den einzelnen Auffälligkeiten aussehen können, wird in den Kapiteln 3 und 4 genauer beschrieben.

 

2.2.1 Allgemeine Ziele in der Förderung verhaltensauffälliger geistig behinderter Schüler

Im Umgang mit verhaltensauffälligen Schülern mit geistiger Behinderung sollten bestimmte pädagogische Ziele verfolgt werden, um eine optimale Förderung zu gewährleisten. Hierbei sollte jedoch nicht an der Verwirklichung einzelner Ziele festgehalten werden. Vielmehr sollten sie gesamt als Intentionen allen pädagogischen Handelns anerkannt werden. Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang die Entwicklung einer beständigen Beziehung zum Schüler, die sich durch Verständnis und gegenseitigen Respekt auszeichnen sollte. Der Pädagoge sollte eine "[...] offen-neutrale Grundhaltung einnehmen und Schuldzuschreibungen vermeiden" (THEUNISSEN 1997, 116). Durch dieses Verhalten erhält der Pädagoge die Möglichkeit, dem Selbstvertrauen des Schülers Vorschub zu leisten, indem er sich selbst und auch dem Schüler dessen individuelle Fähigkeiten und Kompetenzen anstelle der Fehler und Verhaltensauffälligkeiten vor Augen führt. Hier setzt außerdem das sonderpädagogische Individualisierungsprinzip an, wonach der Lehrer "[...] jeden Schüler in seinem Lernen da abholen [muss], wo er sich jeweils befindet." (SPECK 1997, 238). Das bedeutet in diesem Fall, die jeweiligen Stärken und positiven Eigenschaften des Schülers zu berücksichtigen, und langsam darauf aufzubauen. Ferner sollte der Pädagoge auf Signale achten, die vom Schüler ausgesendet werden. Diese könnten z.B. ein Hilferuf oder Anzeichen für das baldige Auftreten einer bestimmten Verhaltensauffälligkeit (z.B. Wutanfall oder Autoaggression) sein. Signale dieser Art geben dem Pädagogen die Möglichkeit, Verhaltensauffälligkeiten bereits im Anfangsstadium anzugeben. Dies kann vor allem bei aggressiven Verhaltensweisen durch Ablenkung des betroffenen Schülers oder durch Abwandlung der Situation eine Eskalation verhindern. Somit kann der Pädagoge einen Ansatzpunkt für den Abbau von auffälligen Verhaltensweisen finden.

Um weiterhin die allgemeine Entwicklung des Schülers zu fördern, sollte der schulische Alltag so gestaltet sein, dass genügend Herausforderungen, aber auch ausreichend Erholungsphasen zur Verfügung stehen. Zeiten, in denen das Problemverhalten nicht auftritt, können pädagogisch sinnvoll genutzt werden, um die allgemeinen Lernziele der Richtlinien nicht zu vernachlässigen.

Werden diese Intentionen im Unterricht an der Schule für Geistigbehinderte beachtet, so ist eine bestmögliche Förderung verhaltensauffälliger Schüler möglich. Allerdings muss anerkannt werden, dass diese Ziele ohnehin auch für Schüler mit geistiger Behinderung ohne besondere Verhaltensprobleme übertragbar sind.

 

2.2.2 Planung und Aufbau einer pädagogischen Intervention für den Unterricht mit Kindern mit geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten

THEUNISSEN stellt in seinen Arbeiten zwei Möglichkeiten eines pädagogischen Konzepts für Kinder mit geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten vor. Er empfiehlt die Erstellung einer Kurzdiagnose und die Durchführung unterrichtsverändernder Maßnahmen. Bei vielen Kindern kann jedoch durch die Veränderung der Unterrichtsbedingungen keine Verhaltensbesserung verzeichnet werden, so dass in diesen Fällen eine sogenannte spezielle Einzelhilfe notwendig ist.

Im Folgenden sollen diese beiden Möglichkeiten des pädagogischen Vorgehens dargestellt werden:

 

Kurzdiagnose und unterrichtsverändernde Maßnahmen

Wie bereits angedeutet, kann diese Form der Intervention lediglich bei schwächeren Ausprägungen auffälliger Verhaltensweisen Erfolg bringen.

Im ersten Schritt soll der Pädagoge versuchen, die für ihn als besonders störend empfundenen Verhaltensweisen zu erkennen. Er erstellt eine Liste und kontrolliert bzw. ergänzt sie innerhalb des Unterrichts weiter. Die genannten Verhaltensweisen werden daraufhin in Häufigkeit und Intensität beobachtet und anschließend anhand der auslösenden Situationen und der Konsequenzen analysiert. Nachfolgend soll der Pädagoge eine positive Einstellung dazu aufbauen, indem er versucht, die positiven Funktionen der einzelnen Verhaltensmuster zu erkennen.

Der zweite große Bestandteil in dieser Vorgehensweise ist die Aufbereitung aller Stärken des Schülers. Ebenso wie die störenden Verhaltensweisen werden diese in Häufigkeit und Intensität beobachtet, anhand der auslösenden Situation und der Konsequenzen analysiert, und auf ihre Funktion hin untersucht. Abschließend wird eine Gesamtanalyse der störenden und positiven Eigenschaften des Kindes vorgenommen, um einen Ansatzpunkt für die pädagogische Intervention zu erhalten. "An diese [positiven Eigenschaften des Schülers] muss der Lehrer anknüpfen, wenn er herausfordernde Verhaltensweisen mindern oder abbauen will.“ (THEUNISSEN 1997, 198).

Im dritten Schritt wird daran anschließend der Unterricht dahingehend verändert, dass die positiven Eigenschaften des Schülers besser genutzt und störende Verhaltensweisen somit abgebaut werden können. Zu diesem Zweck ist eine genaue Analyse des Unterrichts hinsichtlich

notwendig.

Die Strukturelemente, die auffälliges Verhalten fördern, müssen so verändert werden, dass der Schüler sich besser auf das Unterrichtsgeschehen einlassen kann.

 

Spezielle Einzelhilfe

In dem Fall, dass unterrichtsverändernde Maßnahmen, wie sie im vorherigen Abschnitt beschrieben sind, nicht ausreichen, um ein Problemverhalten abzubauen, ist die Indikation für eine spezielle Einzelhilfe gegeben. Daraufhin sollte ein Erstgespräch zwischen dem Lehrer, den Erziehungsträgern und allen relevanten Bezugspersonen geführt werden, um die weitere Vorgehensweise festzulegen. Es soll eine sogenannte "Verstehens-Diagnose“ (THEUNISSEN 1997, 200) erstellt werden, die unter anderem die Lebensgeschichte, individuelle Interessen, soziale Kompetenzen, individuelle Stärken, den Gesundheitszustand und das aktuelle Entwicklungsniveau des Betroffenen berücksichtigt. Auch die Unterrichtssituation wird in die Diagnostik einbezogen, indem unter anderem auch die Funktion des auffälligen Verhaltens, die speziellen Situationen, in denen das Verhalten auftritt, die beteiligten Bezugspersonen, die Stellung des Schülers in der Klasse und die Strukturelemente des Unterrichts, die im vorherigen Abschnitt beschrieben wurden, analysiert werden.

Kommen die Gesprächspartner zu einer übereinstimmenden Einschätzung des Problemverhaltens, kann gemeinsam ein spezielles Konzept zur Hilfe entwickelt werden. Das Konzept sollte unterrichtstherapeutische Maßnahmen beinhalten und auch sozial- oder heilpädagogische Aktionen, die in einzelnen, dafür eingerichteten unterrichtsfreien Zeiten stattfinden. Eine wichtige Bedingung hierfür ist die Bereitschaft aller Bezugspersonen, die beschlossenen Maßnahmen weitestgehend zu unterstützen, um eine regelmäßige und konsequente Durchführung zu gewährleisten. Wie die unterrichtsverändernden Maßnahmen muss auch die spezielle Einzelhilfe in mehrmonatigen Abständen auf Erfolge und Besonderheiten überprüft werden. Zusätzlich sollte, um Objektivität zu gewähren, eine Supervision durch externe Fachberatung eingerichtet werden (vgl. THEUNISSEN 1997, 200 ff.).

 

2.2.3 Pädagogisches Situationsmanagement für den Unterricht mit Kindern mit geistiger Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten

Ein sogenanntes pädagogisches Situationsmanagement orientiert sich in der Regel am individuell gezeigten auffälligen Verhalten, das mit Hilfe der kurz- bzw. Verstehens-Diagnose zuvor herausgestellt wurde. Es stellt eine Krisenintervention dar, die dem Lehrer im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten ein gewisses Maß an Sicherheit bietet. Dennoch sollten diese Handlungsmöglichkeiten nicht ohne Kritik anerkannt und übernommen werden, da sie in das allgemeine pädagogische Konzept, zu dem bestimmten Problemverhalten, dem individuellen Hintergrund des Schülers und der Einstellung des Pädagogen passen müssen.

 

Ignorieren von auffälligen Verhaltensweisen

Das Ignorieren auffälligen Verhaltens kann nur unter zwei Bedingungen erfolgen: erstens muss eine Selbst- und Fremdgefährdung ausgeschlossen werden und zweitens muss sichergestellt sein, dass der betroffene Schüler dadurch nicht ein generelles Defizit an Zuwendung erfährt. Dieser zweite Aspekt leitet sich aus verschiedenen Beobachtungen ab, die gezeigt haben, dass Lehrer dazu neigen, bestimmte Schüler in problemfreien Phasen zu ignorieren, weil sie fürchten, das Problemverhalten durch Ansprache etc. auszulösen. Die Konsequenzen derartigen Lehrerverhaltens spiegeln sich in einer Verstärkung der Verhaltensauffälligkeit wieder.

 

Direkte Ansprache des Schülers

Ein direktes Ansprechen des Schülers in dem Moment, in dem das Auftreten des Problemverhaltens abzusehen ist, kann einen drohenden Konflikt abwenden. Es besteht dadurch die Möglichkeit, den Schüler durch die Beschäftigung mit einer Aufgabe abzulenken und das Verhalten zu verhindern oder den Ausprägungsgrad zu mindern.

 

Signalgebung

Einfache Signale wie Blickkontakt, Heben eines Fingers oder bestimmte Lautäußerungen können bei einem Schüler auffälliges Verhaltens verhindern, wenn dieser noch nicht zu erregt ist. Hat das Problemverhalten bereits eingesetzt, kann durch eine so schwache Interventionsform kaum eine Unterbrechung des Verhaltens erfolgen.

 

Vermittlung von Sicherheit durch unmittelbare Anwesenheit

Der Pädagoge hat die Möglichkeit, das Auftreten von auffälligem Verhalten zu verhindern, indem er dem Schüler durch seine Anwesenheit ein Gefühl von Sicherheit gibt. Diese Interventionsform ist jedoch nur bei Schülern sinnvoll, bei denen die Ursache für die gezeigte Verhaltensproblematik ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis ist. generell muss beachtet werden, dass eine "Überbehütung“ zu Selbständigkeitsverlust und zu einer Unterdrückung des natürlichen Verhaltens im sozialen Umfeld (hier: unter Mitschülern) führt.

 

Beruhigung durch körperlichen Kontakt

Diese Interventionsform ist die Steigerung der eben beschriebenen. Reicht die bloße Anwesenheit des Lehrers nicht aus, so kann bei vielen Schülern durch die Berührung eines Erwachsenen ein Sicherheitsgefühl vermittelt werden. Auch hier müssen die oben angesprochenen Besonderheiten berücksichtigt werden. Darüber hinaus besteht die Gefahr einer starken personengebundenen Fixierung des Schülers auf die Lehrperson.

 

Humor

In manchen Situationen ist es möglich, bestimmte Konfliktsituationen durch Humor aufzulockern und somit die Eskalation in Problemverhalten zu verhindern. Allerdings setzt dieses einen gewissen intellektuellen Standard der betroffenen Personen voraus, damit der Humor seine Wirkung erzeugen kann.

 

Bewegungseinschränkung und Entzug bestimmter Gegenstände

Diese Interventionen sollten generell nur Ausnahmesituationen vorbehalten bleiben. In der Regel besteht darin kein Lerneffekt, sondern eine Einschränkung der Selbstbestimmung des Betroffenen, die häufig in Trotzreaktionen und Frustrationen endet, die einem Abbau des auffälligen Verhaltens wiederum entgegen stehen.

 

Körperliches Eingreifen

Körperliches Eingreifen darf lediglich zum Zweck der Selbstverteidigung und der Verhinderung von Selbst- und Fremdgefährdung von einem physisch überlegenen Lehrer angewendet werden. Man versteht darunter das Festhalten des betroffenen Menschen, der jedoch durch den ausführenden Pädagogen keine Geringschätzung erfahren sollte, damit die Gefahr einer zusätzlichen aggressiven Gegenreaktion durch den Schüler nicht heraufbeschworen wird. Anstelle abwertender und verurteilender Worte sollten somit Verständnis und Trost geäußert werden. Diese Interventionsform steht allerdings kontrovers zum Prinzip der Vermeidung von positiver Verstärkung des auffälligen Verhaltens.

 

Umlenken

In diesem Fall wird versucht, das auffällige Verhalten des Schülers in eine andere Beschäftigung umzulenken (z.B. eine Schlagbewegung gegen den Kopf durch eine Streichel-Bewegung des Gesichts ersetzen). Das Ziel dieser Intervention ist, das Problemverhalten allmählich durch alternative Handlungsformen zu ersetzen, indem man dem Schüler vermittelt, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, positive Empfindungen durch alternative Körperberührungen und –bewegungen zu erleben.

 

Time-Out

Das Time-Out, also der Ausschluss eines verhaltensauffälligen Schülers aus der Gruppe, kann ebenfalls eine Krisenintervention darstellen. Es muss dabei gesichert sein, dass der ausgeschlossene Schüler weiterhin beobachtet werden kann und dass der Zeitraum begrenzt ist. Während bei MÜHL et al. dargestellt wird, dass das Time-Out keinesfalls als positive Verstärkung empfunden werden darf (vgl. MÜHL/ NEUKÄTER/ SCHULZ 1996, 94), schlägt THEUNISSEN vor, dass dem betroffenen Schüler im Ausschluss Beschäftigungsalternativen, wie z.B. Musik hören oder Entspannung, angeboten werden (vgl. THEUNISSEN 1997, 124).

 

Symptomverschreibung

Diese Methode kann bei Schülern angewendet werden, deren Verhalten sehr berechenbar ist. Dadurch, dass bestimmte auffällige Verhaltensweisen ausdrücklich erlaubt werden, sollen sie für die Betroffenen an Reiz verlieren und somit abklingen. Es muss jedoch gesichert sein, dass Selbst- und Fremdgefährdung durch die ausdrückliche Erlaubnis nicht provoziert werden.

 

Verbote und Grenzen setzen

Verbote und Grenzen sollen verhindern, dass auffälliges Verhalten auftritt und eskaliert. Es liegt an der Autorität und Beziehung des Pädagogen zum Kind, ob dieses sich an verbale Anordnungen hält und halten kann. Durch Verträge über bestimmte Verhaltensweisen zwischen Lehrer und Schüler kann die Notwendigkeit solcher Verbote verhindert werden. Es sollte jedoch beachtet werden, dass Verbote "in einem pädagogischen Klima eingebettet sein [müssen], das von Wärme, Akzeptanz und Toleranz geprägt ist.“(THEUNISSEN 1997, 125).

 

Strafe

Strafe im allgemeinen Sinn kann nur als Zeichen der Hilflosigkeit des Lehrers gedeutet und somit schlichtweg abgelehnt werden. In manchen Fällen ist es jedoch möglich, eine bestimmte Strafe als Konsequenz aus dem Problemverhalten des Schülers einzusetzen. Dazu muss aber die Einsicht des Kindes, dass das Verhalten falsch war, und dass das eigene Verhalten die Strafe hervorgerufen hat, gewährleistet sein. Dieses wird nicht bei vielen Menschen mit geistiger Behinderung im Schulalter der Fall sein, so dass man diese Kriseninterventionsform aus dem Handlungsrepertoire des Pädagogen streichen sollte.

 

Wiedergutmachung

Die Wiedergutmachungsstrategie stellt eine Sonderform der Strafe dar und sieht vor, dass die betroffene Person die Folgen ihres Verhaltens weitestgehend wieder aufhebt. Dazu zählen z.B. das Aufräumen eines verwüsteten Zimmers, die Entschuldigung bei mitbetroffenen Personen und die Neuanschaffung zerstörter Gegenstände. Dadurch lernt der Schüler, für sein verhalten Verantwortung zu tragen und begreift die Wertigkeit seines Verhaltens anhand der Folgen und des damit verbundenen Entschädigungsaufwands.

 

Insgesamt kann man erkennen, dass es sehr viele Handlungsmöglichkeiten für den Notfall gibt, doch sollte jeder Pädagoge die Interventionen herausfiltern, die er für sich rechtfertigen kann. An dieser Stelle sei aber noch einmal betont, dass alle angeführten Methoden lediglich kurzfristig angewendet werden und in einem pädagogischen Gesamtkonzept keinen festen Platz einnehmen dürfen. Spezielle, auf die einzelnen Verhaltensauffälligkeiten abgestimmte Maßnahmen, können in den Kapiteln 3 und 4 nachgelesen werden.