Text mit ähnlicher Thematik: Kulturtechniken
an der Schule für Geistigbehinderte
Inhalt
1. Analphabetismus in Deutschland
2. Notwendigkeit des Schriftspracherwerbs
3. Auswahl der optimalen Schriftart für den
Schriftspracherwerb
4. Wie verläuft der Schriftspracherwerb
5. Individuelle Zugänge zur Schrift
6. Argumente für und gegen frühen Schreibbeginn
7. Sprachanalytische Fähigkeiten als Grundlage
für den
Schriftspracherwerb
8. Stufenmodelle
9. Spracherfahrungsansatz
10. Gudrun Spitta
11. Bedeutung der Orthographie
12. Didaktische Umsetzugnsmöglichkeiten
13. Didaktische Prinzipien für ein erfolgreiches
Lesen- und
Schreibenlernen
14. Überlegungen zu einer Pädagogik
und Didaktik des
Schriftspracherwerbs auf konstruktivistischer Grundlage
15. Möglichkeiten des Stempelns und Druckens
16. Störungen des Schriftspracherwerbs
17. Literatur
1. Analphabetismus in Deutschland
- 0,5 bis 0,7 % der Bevölkerung der westlichen
Industrienationen sind Analphabeten
- 3 % aller Führerscheinbewerber müssen beim
TÜV-Rheinland einen speziellen Theorietest für Analphabeten machen
- 2 Millionen Erwachsene in Ost und West sind betroffen
- lesen können hilft verstehen (komplizierte Wörter),
lesen fördert denken
- 99 % der Analphabeten waren in der Schule
- Lernen des Alphabets ist als Erwachsener schwieriger
als es spielerisch als Kind zu lernen
- oft steht in der Schule nur eine Methode zum Schreiben-
und Lesenlernen zur Verfügung, aber nicht alle Kinder lernen gleich
- Grund für Analphabetismus ist oft psychosozial
- funktionaler Analphabetismus (z.B. Adresse vom Pass
abschreiben)
- zu den olympischen Spielen in Deutschland wurde eine
Zeichensprache eingeführt: Piktogramme
- Ganzwortmethode: Wörter können nicht buchstabiert
werden
- im Gefängnis die besten Alphabetisierungserfolge
- DDR galt als Leseland: erst heute werden die existierenden
Analphabeten aufgedeckt
- durch PCs und so weiter gibt es kaum noch Arbeitsplätze,
in denen man nicht lesen/ schreiben muss
2. Notwendigkeit des
Schriftspracherwerbs
- jeder in dieser Gesellschaft muss lesen und schreiben
lernen (können) und zwar in einem Maße, das ihn unauffällig
werden lässt
- zwei Formen von Alphabetisiertheit:
- jeder Mensch muss insoweit alphabetisiert sein,
dass er auf die unmittelbaren unvermeidbaren schriftsprachlichen Anforderungen
reagieren kann, ohne dass auffällt, dass er nur über eine
eingeschränkte alphabetisch-orthographische Kompetenz verfügt
- schriftsprachliche Praxis, in der jemand aktiv
schriftsprachliche Fähigkeiten einsetzt, um Aufgaben kommunikativer
oder kognitiver Art zu bewältigen, die auch anders erledigt werden
können
- Alphabetisiertheit gehört zum Standard - Analphabetismus
ist nicht vorgesehen in der allgemeinen öffentlichen Praxis
- wenn aber der soziale Handlungsraum faktisch Analphabeten
nicht vorsieht, dann kommt auf den schulischen Schriftvermittlungsprozess
eine größere Verantwortung zu
- wenn derjenige, der normal sein will, alphabetisiert
sein muss, dann muss jeder alphabetisiert werden, es sein denn allgemein
akzeptierte Gründe würden das Nichtlernen erklärbar machen
- Rechtschreibschwächen können zum Schriftverlust
führen
- wer gar nicht schreibt, anstatt fehlerhaft zu
schreiben, hat eine Chance, dass sein Defizit unentdeckt bleibt
3. Auswahl der optimalen
Schriftart für
den Schriftspracherwerb
- bundesweit in der Grundschuldidaktik eindeutige Tendenz
zur Gemischtantiqua als Erstschrift für das Lesen- und Schreibenlernen
- unzweifelhaft besteht enger Zusammenhang zwischen
Schriftperzeption und Schriftproduktion, doch von ihnen geforderte physische
und psychische Aktivitäten sind sehr unterschiedlich
- Steinschrift:
- Großbuchstaben- oder Blockschrift
- ursprünglicher primärer Verwendungszweck:
Beschriftung von Steinen als Denkmäler, Grabmale, Wegweiser usw.
(natürliche Tendenz zu einfachen Buchstabenformen)
- heute sozialer Gebrauch vor allem bei der Eigennamenschreibung
von Personen, Firmen und Markenartikeln
- Namensfunktion: meistens keine Textdarstellungen
oder Wörter, sondern nur Abkürzungen
- im eigentlichen Sinne stellt Steinschrift keine
eigenständige Schrift dar, sondern ist Teil der Gemischtantiqua
mit sehr geringem Häufigkeitsanteil innerhalb der Druckschrift
- Gemischtantiqua:
- alles dominierende Schriftart bei lateinischen
Alphabetschriften im öffentlichen Verkehr
- Schrift der Bücher, Zeitschriften und Zeitungen,
der Schreib- und Setzmaschinen sowie der elektronischen Textverarbeitungssysteme,
der Film- und Videountertextungen
- Schreibschrift:
- Funktionsbereich des Schreibens mit der Hand
als potentieller Anwendungsbereich der verbundenen Schrift wurde immer
stärker auf private Korrespondenz-, Notiz- und Textverwendungszwecke
eingeschränkt
- sozial bedeutsam, aber mit geringer Auftretenshäufigkeit
ist die Dokumentationsfunktion Unterschrift
- im privaten Bereich spielt die Schreibschrift
sicher nach wie vor eine bedeutungsvollere und unverzichtbare Rolle
für kommunikative (Briefe) und textuelle Zwecke
- deutlicher Rückgang handschriftlicher Produktionen
steht im deutlichen Gegensatz zur häufig ausschließlichen
Verwendung der Handschrift bei allen schulischen Schreibarbeiten
- von der sozialen Funktion und der Gebrauchsfähigkeit
her gesehen spricht alles für die Verwendung der Gemischtantiqua im
Anfangsunterricht
- überall dort, wo Schrift unter variierenden
und z.T. schwierigen perzeptuellen Bedingungen wahrgenommen werden soll,
wird die Gemischtantiqua verwendet, denn sie ist die mit Abstand die Wortgestalten
am besten gliedernde Schrift
- faktisch ist auch besonders für Kinder aus schriftarmem
Milieu die potentiell am häufigsten wahrnehmbare und sozial bedeutsame
Schrift die Gemischtantiqua
3.1 Zur frühpädagogischen Sonderfunktion
der Steinschrift
- spontan mit dem Schreiben beginnende Vorschulkinder
benutzen praktisch ausnahmslos die Steinschrift für ihre ersten Produktionen
- Wahl der Steinschrift beruht wohl eher auf wohlmeinender
didaktischer Intervention der Erwachsenen, indem diese intuitiv in entsprechenden
Situationen die einfacheren Großbuchstaben anbieten
- bislang wurde die Fähigkeit der Kinder, komplexere
Schriftzeichenformen, wie die der Gemischtantiqua wahrzunehmen, unterschätzt
- selbst entwicklungsdysphasische Vorschulkinder haben
keine Probleme mit der Buchstabenformwahrnehmung, auch bei der angeblich
komplizierterer Minuskeln
- Reversionen sind kein Wahrnehmungsproblem (Reversionen
sind bei den Produktionsaufgaben sehr selten und scheinen mit den Leistungen
in den Wahrnehmungsaufgaben nicht zu korrelieren)
- Bedeutung des Schreibens bereits in der frühen
Phase des Schriftspracherwerbs
- offensichtlich erzeugt eigene produktive Realisierung
implizit eine Beachtung von über die Formerfassung herausgehenden symbolisch-sprachlich
relevanten Merkmalen
- wegen der extrem schlechten wortdifferenzierenden
Wahrnehmungsgestalten der Großbuchstaben ist die Steinschrift gerade
für behinderte Kinder nicht nur als lese- sondern auch als Schreibschrift
denkbar ungeeignet
3.2 Zur Bedeutung der Schreibschrift im Anfangsunterricht
Schreibschrift und Wortwahrnehmung
- Anhänger der Schreibschrift rechtfertigen deren
Einsatz im Anfangsunterricht mit ganzheitlicher Wahrnehmungstheorie: Ganzheit
des Wortes kann von Leseanfängern nur durch verbundene Schrift erfasst
werden
- Buchstaben der Schreibschrift reduzieren im Interesse
des Schreibflusses die Spezifität der Buchstabenformmerkmale und führen
darüber hinaus zu Schwierigkeiten bei der Analyse der Buchstabeneinheiten
besonders von lehrgangsmäßig nicht vertrauten Wörtern
- Verwendung der Schreibschrift als erste Schrift zum
lesen- und Schreibenlernen erleichtert die Aneignung nicht, sondern erschwert
sie durch zusätzliche Wahrnehmungsschwierigkeiten
- in der Grundschuldidaktik seit Anfang der 80er Jahre
grundsätzliche Umorientierung in der Schriftfrage:
- Anfang der 70er Jahre: Verhältnis von Schreibschrift-
zu Druckschriftfibeln etwa 70 zu 30 %
- heute umgekehrt
Schreibschrift und Schreibenlernen
- Favorisierung der Schreibschrift als Erstleseschrift
führt zu der geradezu paradoxen Konsequenz, dass dem Schreiben als
der primären Verwendungsfunktion der Schreibschrift im Anfangsunterricht
eine relativ untergeordnete Bedeutung zugeschrieben wird
- Schreiben wurde und wird weithin noch immer dem verbundenen
Schreiben mit der Hand gleichgesetzt
- zugleich herrscht die (unbewiesene) Auffassung vor,
dass ein vorgängiges Schreiben in Druckschrift negative Folgen für
die spätere Schreibentfaltung impliziert
4. Wie verläuft der
Schriftspracherwerb
- Schreiben stellt den eigentlichen Motor für
das Erfassen des Prinzips der Alphabetschrift, (der Realisierung der Graphem-Phonem-Korrespondenzen
durch Segmentierung und Sequentierung, Lautanalyse und Synthese) dar
- je stärker de Analyse und Synthese an einem
begrenzten Wortschatz geübt und wiederholt werden, desto wahrscheinlicher
ist eine den methodischen Zielen zuwiderlaufende visuell-logographemische
Wahrnehmungsstrategie des Kindes
- demgegenüber verlangt das Schreiben auch sogenannter
lautgetreuer Wörter die Beachtung der Segmente und ihrer Reihenfolge,
die sich durch exakte Zuordnung von Graphemen und Phonemen stabil sichern
lässt
- jedes 2. Kind besitzt zum Schulanfang höchstens
rudimentärste Vorkenntnisse über Struktur, Bedeutung und Funktion
von Schrift (-sprache), die kaum eine relevante intrinsisch-motivationale
und kognitiv-sprachliche Basis für den einsetzenden Lese-/ Schreiblernprozess
darstellen
- das allgegenwärtige Angebot von Schrift
in der sozialen Lebensumwelt reicht offensichtlich für einen beträchtlichen
teil der Kinder nicht aus, um selbständig und gestützt auf
Hinweise der erwachsenen auf Schrift als besonderes Symbolsystem der
Sprache mit spezifischer Bedeutung, Funktion und Struktur aufmerksam
zu werden
5. Individuelle Zugänge
zur Schrift
- Wahrnehmung von Schrift und damit produktiver Umgang
mit ihr setzt kognitive Bewusstheit von Schrift voraus
- erst, wenn eine Vorstellung über die Funktion
und Bedeutung schriftsprachlicher Zeichen vorliegt, kann damit operiert
werden
- Kinder haben bei Schuleintritt eine qualitativ unterschiedliche
Bewusstheit von Schrift ausgebildet
- der schulische Schriftspracherwerb setzt in keinem
fall bei einem Nullpunkt an
- einige Kinder wissen über die Zuordnung von
einzelnen Buchstaben und Lauten Bescheid, sie wenden ansatzweise bereits
eine alphabetische Strategie an, andere Kinder können damit schon relativ
gut umgehen
- LernerInnen erarbeiten sich den Gegenstand der Schrift
selbst, sie sind Konstrukteure ihres Wissens, das auf Erfahrungen beruht
- Erfahrungen mit Schrift, die in der Regel sozial
vermittelte Erfahrungen sind, bilden sozusagen das Raster, nach dem
sie neue Erfahrungen verarbeiten können
5.1 Schriftspracherwerb unter konstruktivistischer
Perspektive
- alle konstruktivistischen Ansätze, die sich
auf Lernen oder Wissenserwerb beziehen, gehen von derselben Grundvorstellung
aus:
- Lernen ist ein Konstruktionsprozess
- auf der Basis vorhandener Schemata, Vorstellungen
und Überzeugungen werden neue Erfahrungen verarbeitet
- Lernende konstruieren ihr Wissen selbst
- Wissen entsteht nicht durch Informationsübertragung
- Lernen ist nicht notwendigerweise eine Konsequenz
von Lehren, sondern ein aktiver, selbstgesteuerter Prozess, der sich
im Kopf des/ der Lernenden abspielt, Ergebnis einer Interaktion zwischen
Individuum und (Lern-) Umwelt
- wichtige Rollen im Konstruktionsprozess:
- besondere Bedeutung des sozialen Aushandelns
von Bedeutungen, das auf der Grundlage kooperativer Prozesse zwischen
Lehrenden und Lernenden erfolgen kann
- relevanter Kontext, in den Informationen eingebettet
sind
- metakognitive Aktivitäten
- Kinder konstruieren und erfinden die Schrift in ihrem
Kopf und zwar auf der Basis der aktuell zur Verfügung stehenden Muster,
Schemata, Filter
- Anknüpfung an Vorhandenes, um es weiter
zu differenzieren und es zu modifizieren
- Entwicklung eigener Vorstellungen und Konzeptionen
von Schrift, die sie beibehalten, solange sie ihnen die Verarbeitung
von Schrifterfahrungen ermöglichen
- werden sie durch Perturbationen (= Störungen,
Dissonanzen des bisher erreichten Gleichgewichts zwischen vorhandenen
Strukturen und zu verarbeitenden Erfahrungen) dazu gezwungen, ersetzen
sie sie durch neuere, differenziertere, adäquatere
- um Schrift verwenden zu können bedarf es gesellschaftlicher
bzw. kultureller Konventionen, die von den Lernenden bereits vorgefunden
werden
- in der Schule wird kulturell vererbtes Wissen
aufgeschlossen
- man sollte besser von „Rekonstruktionen" sprechen
als von der „aktiven Übernahme bereits vorhandener Konstruktionen von
Anderen"
- Frage nach der Freiheit des aktiv konstruierenden
- Rekonstruktionen sind selbstverständlich
für jeden Einzelnen betrachtet eigene Konstruktionen
- Schrift, auch wenn sie rekonstruiert wird, gewinnt
erst dann an Bedeutung für ein Kind, wenn es sie sich in einem
eigentätigen kognitiven Prozess angeeignet hat
- Umgebung stellt Anregungen und Muster bereit,
deren Auf- und Übernahme in der Entscheidung des Lernenden steht
- Lernende können mit nicht-trivialen Maschinen
(nicht grundsätzlich determiniert, vergangenheitsunabhängig
und vorhersagbar) verglichen werden
- hervorstechende Eigenschaft: Unvorhersehbarkeit
(Input und Output sind nicht linear aufeinander zu beziehen)
- kommen zu Ergebnissen, die nicht vorhersehbar
waren, besitzen also in einem gewissen Sinn Freiheit, sind autonom
- Wissen ist jedoch nichts Festes oder Unverrückbares
- man kann Schrift, weil sie überliefert ist,
nicht als komplettes System neu erfinden oder neu konstruieren
- jede/r LernerIn aber konstruiert sie für
sich selbst neu und hat dabei die Freiheit eines neuen Blicks bzw. die
Freiheit des individuellen Zugangs
- Vorstellung von der individuellen, eigentätigen
Konstruktion, ist durch den sozialen Aspekt zu ergänzen
- Lernende stellen sich ihre Konstruktionen gegen-
und wechselseitig zur Verfügung
- Lerner profitieren voneinander, weil ihre Problemlösestrategien
qualitativ ähnlich sind
- auch sorgfältige uns einfühlsame Beobachtung
einer Lehrerin kann Grundlage für einen Ko-Konstruktionsprozeß
sein
- Lehrende werden zu Lernbegleitern oder Lernhelfern;
sie beobachten, gestalten Lernumgebungen, regen an und unterstützen
- sozialer Kontext wird zur Kontrolle für die
erfolgreiche Bewältigung der schriftsprachlichen Kommunikationssituation
- Ökologische Didaktik: Grundgedanke der sozialen
Einbettung von individuellen Lernentwicklungen
- Bedeutung der Umgebung innerhalb einer konstruktivistischen
Vorstellung vom Schriftspracherwerb
- im Mittelpunkt steht aktiver Lerner, der sein
Wissen selbständig konstruiert
- Lerner generiert auf der Grundlage einer zunächst
allgemeinen Auseinandersetzung mit der Umgebung ständig neue, qualitativ
verbesserte Strategien für den Umgang mit einzelnen Gegenständen
dieser Umgebung
6. Argumente für und
gegen frühen
Schreibbeginn
- Gründe für die Vernachlässigung des
Schreibens gegenüber dem Lesen im Anfangsunterricht
- feinmotorische und koordinative Schwierigkeiten
von Schulanfängern lassen einen systematischen Einsatz des Schreibens
zur Entwicklung des Schriftspracherwerbs im Rahmen der ersten Klasse
ausgeschlossen erscheinen, wenn man darunter die Verwendung der verbundenen
Schrift versteht
- frühes Schreiben, das nicht auf einem gesicherten,
über das lesen eingeübten Lexikonbestand basiert, führt
notwendigerweise zu vor allem akustisch-artikulatorisch begründeten
Schreibfehlern
- Behauptung, dass sich diese Fehler zu dauerhaften
falschen Mustern verfestigen, die auch das Lesen affizieren
- Schreiben fordert für die Koordination von
Auge und Hand ein solches Maß an Konzentration, dass faktisch
ein sprachlicher Produktionsakt gar nicht wirksam wird, da die Kinder
vielmehr primär mit der graphomotorischen Realisation beschäftigt
sind
6.1 Führt frühes Schreiben zum Aufbau
fehlerhafter Rechtschreibmuster?
- Schreibfehler als Folge logographemischer Strategie
- logographemische Vorgehensweise, sie sich an
herausragenden Merkmalen (Buchstaben) der Wörter orientiert, ist
die entwicklungsmäßig erste schriftsprachliche Aneignungsstrategie
im engeren Sinne
- ist im Prinzip Lesestrategie und das Schreiben
in dieser Phase basiert auf gedächtnismäßig fixierten
visuellen Wahrnehmungseinheiten
- ganzheitliche Wortbildung scheidet als Erklärungsmuster
aus
- Korrespondenz zwischen gesprochenem und geschriebenem
Wort ist global-parataktisch und allein semantisch-symbolischer Art
- Schreibfehler bei präalphabetischer Strategie
- herausragendes Merkmal frühester freier
Wortschreibungen von Vorschulkindern ist die sogenannte Skelettschreibung,
die aus einer weitgehenden Auslassung vor allem der Vokale resultiert
- Skelettschreibung findet man bei fast allen frühen
Spontanschreibern in einem mehr oder weniger großen Umfang
- präalphabetische Strategie:
- in der frühen Phase der Aneignung des
alphabetischen Prinzips kommt es nur zu einer Teil-Analyse der Lautstruktur
der Wörter und ihrer Zuordnung zu den Buchstaben/ Graphemen
- Vokale existieren dabei nicht als eigenständige
Einheiten, sondern sind Bestandteil der vorausgehenden Konsonanten
- Vorschulkindern gelingt die Segmentierung
von Wörtern in Silben recht schnell, die Phonemgliederung dagegen
nicht
- präalphabetische Phase dürfte in der
Regel recht kurz sein
- bei den schwachen Vokalen (vor allem a) hält
sich die fehlerhafte Auslassung verhältnismäßig lange
- Auslassungen von Konsonanten folgen anderen Prinzipien
- Übergeneralisierung des Alphabetprinzips
- wenn Spontanschreiber das Prinzip der Alphabetschrift
sicher erfasst haben, neigen sie dazu, dies für die einzig richtige
und allein ausreichende Vorgehensweise zu halten
- Inkonsistenzen auf dem Weg zur orthographischen Strategie
- frühe Spontanschreiber im deutschsprachigen
Raum lernen sehr frühzeitig ein zentrales Moment unserer Schrift,
das Alphabetprinzip, begreifen und werden dadurch zum freien, vom Erwachsenen
unabhängigen Verschriften fähig
- stoßen ständig auf Rechtschreibprobleme,
die ein traditioneller Anfangsunterricht nur deshalb nicht kennt, weil
er diese Probleme systematisch auszuklammern versucht
- Aneignung orthographischen Wissens ist langwieriger
Prozess
- Sprachniveau versus Orthographie
- wenn Schule die Schreibprodukte der Kinder nur
unter Fehlergesichtspunkten kommentiert, dann tötet sie gerade
bei den schwächeren Kindern längerfristig jede intrinsische
Schreibmotivation und damit die Basis, auch selbsttätige Wege zur
Orthographie zu finden, wie sie die Spontanschreiber demonstrieren
7. Sprachanalytische Fähigkeiten
als
Grundlage für den Schriftspracherwerb
Sprachanalytische Fähigkeiten müssen beim
Schriftspracherwerb vom Lernenden erworben werden:
- das Wortkonzept
- in der Schule wird das Kind mit einem neuartigen
formalen Wortbegriff konfrontiert, während seine Alltagsvorstellungen
vom Wort handlungs- und kontextbezogen sind
- um sich auf den schulischen Wortbegriff einzustellen,
muss das Kind kognitiv eine Dezentrierungsleistung vollbringen und vom
Gegenstand bzw. der Handlung abstrahieren, was nicht auf Anhieb gelingt
- Schwierigkeiten bei der Segmentierung von Sätzen
in Einzelwörter, ursprünglich gliedern Kinder nach Sinneinheiten
- viele Kinder glauben, dass nur Hauptwörter
und Verben aufgeschrieben werden, nicht aber Artikel und andere Funktionswörter
- beim Schriftspracherwerb muss eine Einsicht in
den Zusammenhang von gesprochener und geschriebener Sprache erlangt
werden (Reihenfolge der gesprochenen und geschriebenen Elemente entspricht
einander und alle Redeteile werden aufgeschrieben)
- zu Schulbeginn verfügen die Lernenden noch
nicht über dieses Wortkonzept
- Phonembewusstsein und Lautanalyse
- Erwachsenen orientieren sich am vorgestellten
Schriftbild
- LRS-Kinder können in der Regel gut hören,
Probleme liegen eher in der Analyse und Kategorisierung als in der Wahrnehmung
von Lauten
- Lautanalyse ist deshalb so schwierig, weil beim
reden die einzelnen laute aufgrund der Koartikulation miteinander verschmolzen
werden
- auditive Analyse ist deshalb am leichtesten zu
bewältigen, wenn die Kinder das Schriftbild vor Augen haben
- Kenntnis der Phonem-Graphem-Zuordnungen
- Schwierigkeit: es gibt keine Eins-zu-Eins-Zuordnung
von Lauten und Schriftzeichen
- Schriftzeichen sind unterschiedlich komplex
- ein Buchstabe (a)
- zwei Buchstaben (ah)
- drei Buchstaben (sch/ ieh)
- eindeutige Grapheme, die ein Phonem repräsentieren
(l/ r/ m/ t/ h)
- mehrdeutige Grapheme, die zwei Phoneme repräsentieren
(d = /d/ und /t/; b = /b/ und /p)
- da nicht alle Wörter regelhaft gebildet
werden, ist zum Erwerb der Orthographie ein beträchtlicher Lern-
und Übungsaufwand erforderlich
- charakteristische Stufen beim Schreiben und Lesen
unbekannter Wörter, die jeweils durch dominante Strategie gekennzeichnet
sind
- bei vielen Kindern lassen sich Hinweise auf die Verwendung
mehrerer Strategien finden
- vor allem bei Stress häufig Rückfall
auf einfachere Strategie
- alle Kinder haben charakteristische Schwierigkeiten,
die in der Natur der Sache liegen, aber nicht in Defiziten der Kinder
- fast alle Kinder in der Anfangsphase vertauschen
jedoch spiegelbildliche Buchstaben wie d und b, weil sie die Form, nicht
jedoch die Lage im Raum als bedeutungsunterscheidend wahrnehmen
- zunächst haben alle Kinder Schwierigkeiten,
die vollständige Lautanalyse eines Wortes vorzunehmen, ohne dass es
sich hierbei um auditive Wahrnehmungsmängel handelt
- Fehler sind notwendige und häufig auch sinnvolle
Annäherungen an den Lerngegenstand, sie können paradoxerweise
auch Fortschritte in der Entwicklung schriftsprachlicher Fähigkeiten
signalisieren
- weitere Schwierigkeiten dadurch, dass Kinder sich
Regeln oder Vorstellungen bilden, die dem Lerngegenstand nicht angemessen
sind
8. Stufenmodelle
8.1 Stufenmodell nach Scheerer-Neumann 1987
|
Fähigkeiten und Einsichten
|
Lesen |
Schreiben |
1 |
Nachahmung äußerer Verhaltensweisen
|
"Als-ob"-Vorlesen |
Kritzeln |
2 |
Kenntnis einzelner Buchstaben anhand figurativer
Merkmale |
Erraten von Wörtern aufgrund visueller Merkmale
von Buchstaben oder -teilen (Firmenembleme benennen) |
Malen von Buchstabenreihen, Malen des eigenen
Namens
- Kinder schreiben einzelne Buchstaben oder
malen buchstabenähnliche Zeichen, aber ohne jeglichen Bezug
zur Lautung der Wörter
|
3 |
beginnende Einsicht in den Buchstaben-Laut-Bezug,
Kenntnis einiger Buchstaben/ Laute |
Benennen von Lautelementen, häufig orientiert
am Anfangsbuchstaben, Abhängigkeit vom Kontext |
Schreiben von Lautelementen (Anlaut, prägnanter
Laut zu Beginn des Wortes), "Skelettschreibungen"
- die wichtigsten Laute werden wiedergegeben,
häufig wird auch zumindest jede Silbe durch wenigstens
einen Buchstaben markiert
- beim Schreiben von Sätzen werden Funktionswörter
ausgelassen und die Wörter ohne Lücken aneinandergereiht
|
4 |
Einsicht in die Buchstaben-Laut-Beziehung |
Buchstabenweises Erlesen (Übersetzen von
Buchstaben- und Lautreihen), gelegentlich ohne Sinnverständnis
|
Phonetische Schreibungen nach dem Prinzip "Schreibe,
wie du sprichst"
- Kinder orientieren sich vorwiegend an ihrer
eigenen Artikulation, d.h. an ihrer häufig dialektal gefärbten
Umgangssprache
- charakteristisch für LRS-Kinder: verbleiben
lange auf dieser Stufe
|
5 |
Verwendung orthographischer bzw. sprachstruktureller
Elemente |
Fortgeschrittenes Lesen: Verwendung größerer
Einheiten (z.B. mehrgl. Schriftzeichen, Silben, Endungen wie -en,
-er) |
Verwendung orthographischer Muster (z.B. -en,
-er; Umlaute), gelegentlich auch falsche Generalisierungen
- viele Fehler entstehen durch Übergeneralisie-rungen
ortho-graphischer Regelungen
|
6 |
Automatisierung von Teilprozessen |
Automatisiertes Worterkennen und Hypothesenbildung
|
Entfaltete orthographische Kenntnisse |
8.1 Stufenmodell nach Spitta 1989
Stufen des Leseerwerbs |
Stufen des Schrifterwerbs |
Logographische Stufe
- Orientierung an spezifischen visuellen
Merkmalen (Schriftzug, Anfangsbuchstabe, Wortlänge, Buchstabenkombination)
- Lautanalyse und Lautsynthese sind kaum
ausgebildet, Zugang zur Bedeutung anhand von Oberflächenmerkmalen
- lediglich bekannte Wörter werden
erkannt, unbekannte Wörter werden durch bekannte mit ähnlicher
Oberflächenstruktur ersetzt
|
Halbphonetisches Stadium
- Einsicht in die Funktion der Buchstaben,
aber begrenzte Buchstabenkenntnis
- einzelne Wörter (Name) werden auswendig
aufgeschrieben
- selbständig geschriebene Wörter
sind extrem verkürzt, es werden nur prägnante Buchstaben/
laute abgebildet
|
Alphabetische Stufe
- schon nach wenigen Wochen Unterricht
- Erkennen von Wörtern als durch Buchstaben
zusammengesetzte Einheiten, die durch Lautanalyse und Lautsynthese
entziffert werden können
- Lautieren der Buchstaben und Zusammenziehen
zu Wort und Silbe
- Wörter werden lautiert, wenn auch
Bedeutung nicht immer verstanden wird
|
Phonetische Phase
- Buchstabenkenntnis nimmt zu
- Fähigkeit, Wörter lautgetreu
aufzuschreiben, nimmt zu
- Wörter entsprechen in der Länge
den gesprochenen Wort und können wieder entschlüsselt
werden
- kaum Beachtung orthographischer Regeln
|
Orthographische Stufe
- Erlesen von Wörtern wird zunehmend
durch orthographische Regeln (Verdopplung, Dehnung von Lauten)
bestimmt
- häufige Buchstabensequenzen und
Silben werden zu Grundeinheit des Entschlüsselns von Wörtern
- Bedeutung der Wörter wird durchgängig
erfasst
|
Phonetische Umschrift und
Übergang zur entwickelten Rechtschreibfähigkeit
- zunehmende Integration von Rechtschreibmustern
und Erkenntnis, dass Wörter neben der Laut-Buchstabenzuordnung
auch orthographischen Regeln folgen
- durch Übung wird Grundwortschatz
aufgebaut, der automatisiert aufgeschrieben werden kann
- grundlegende Kenntnis des Rechtschreibsystems
ist erworben
|
9. Spracherfahrungsansatz
9.1 Leitideen des Spracherfahrungsansatzes
- Kinder sollen erfahren, dass man sich durch Lesen
und Schreiben anderen mitteilen und von ihnen Informationen gewinnen kann.
- Kinder sollen die wechselseitige Übersetzbarkeit
von Schrift und Sprache begreifen. Der Unterricht knüpft also an der
gesprochenen Sprache an.
- Kinder werden mit den Aufbauprinzipien und mit einzelnen
Elementen der Schrift am ehesten vertraut, wenn sie Schriftzeichen gegenständlich
manipulieren können.
Freies Schreiben eigener Texte:
Lust und Zutrauen zum Verfassen eigener Texte
gewinnen
Hilfsmittel benutzen
verschiedene Verwendungsformen der Schrift
erproben
Austesten von orthographischen Hypothesen
und Schreibstrategien durch lauttreues Verschriften |
|
Gemeinsames (Vor-) Lesen von Kinderliteratur:
Lust auf Bücher und aufs Lesen bekommen
entdecken, dass Schriftzeichen Bedeutung tragen
Bauformen und Sprachformen von Texten kennen
lernen als Modelle für eigene Texte
Auseinandersetzen mit verschiedenen Selbst-
und Weltsichten
Informationen gewinnen |
|
|
|
Systematische Einführung von Schriftelementen
und Leseverfahren:
Arbeiten am "Buchstaben der Woche"
Nach und nach die Form- und Lautvarianten
einzelner Buchstaben kennen lernen
Minimalpaare vergleichen, um Einsichten in
die Struktur der Buchstabenschrift zu gewinnen
Auf- und Abbauübungen zur Festigung der
Synthese und des "Sprungs zum Wort"
Aufbau der Sinnerwartung beim Lesen durch
Nutzung des Kontextes |
|
Aufbau und Sicherung eines Grundwortschatzes
"eigene" und "wichtige"
Wörter sammeln
die Schreibweise häufig gebrauchter Wörter
automatisieren
Modellwörter für unterschiedliche
Rechtschreibmuster kennen- und schreiben lernen
alphabetisches Prinzip als Ordnungs- und Suchhilfe
kennen lernen |
9.2 Funktionen von Schrift
- kommunikative Funktion: Erhaltung und Intensivierung
von Kontakten
- heuristische Funktion: Gedanken präzisieren,
Erkenntnisgewinn
- therapeutische Funktion: sich etwas von der Seele
schreiben
- Schreiben als Selbsterfahrung: sich über ein
Gefühl klar werden
- Schreiben als Einflussnahme: Beschwerdebrief, Entschuldigung,
Geständnis
9.3 Faktoren, die zu Schreibhemmungen führen
- Zensuren
- Begutachtungen
- Angst vor Folgen
9.4 Rahmenbedingungen, die motiviertes und
kreatives Schreiben möglich machen
- Akzeptanz
- Vertrauen
- veränderte Einstellung zum Fehler
PIAGET: Kinder lernen über unvollkommene Zwischenschritte
9.5 Traditionelles Modell
grundlegende schreibmotorische
Bewegungsabläufe beherrschen lernen |
|
sich die Rechtschreibnormen
aneignen |
|
schreiben als etwas mitteilen
und in Sprache fassen |
9.6 Moderneres Modell (Voraussetzung: Frühe Schreiberfahrungen sammeln)
Schreibmotorische
Bewegungsabläufe beherrschen lernen
(flüssig schreiben) |
Rechtschreibnormen
als notwendig entdecken und beachten lernen
(richtig schreiben) |
|
|
Schreiben als etwas
mitteilen und schriftlich in Sprache fassen wollen
(Sinn und Funktion von Schrift
erfahren) |
|
Schriftzeichennormen
beachten und einhalten lernen
(deutlich lesbar machen) |
9.7 Allgemeines
- beim Spracherwerb gelten Fehler als entwicklungsspezifisch
notwendig
- nicht wie in Fibeln vom Leichten zum Schweren, sondern
vom Unvollkommenen zum Vollkommenen
- Kinder entdecken Schriftsprache für sich
- Lernen schreitet nicht additiv und gleichmäßig
vor
- Lernen ist nur gut, wenn es „Schrittmacher der Entwicklung"
ist
- Lernen ist aktiv
- in der Praxis schließt der Spracherfahrungsansatz
die Fibeln nicht unbedingt aus (es gibt viele verschiedene Mischformen)
10. Gudrun Spitta
10.1 "Kinder schreiben eigene Texte"
Kritik am fibelorientierten Lernen
- genaue Beachtung des vorgeschriebenen Wegs
- Fibel schafft Kunstwelt, keine Integration ins Leben
der Kinder
- kein aktives Entdecken von Schrift
- graphomotorischer Bezug, keine Erläuterung der
Kommunikation
Erhalten von Eigentexten
- Morgenkreis: erzählen eigener Erlebnisse, bei
besonderer Beschäftigung des Kindes damit Geschichte (1-2 Sätze)
anschreiben und von Kindern lesen und abschreiben lassen, Erstellung eines
Klassenlesebuchs
10.2 „Von der Druck- zur Schreibschrift"
Schreibanlässe im Unterricht
- zwei Kategorien von Schreiblernaktivitäten
- situativ-funktionale Schreibanlässe: lehrgangsunabhängig
- direkt vermittelte Schreibaufgaben: lehrgangsorientiert
Klassenraum, der zum Schreiben einlädt
- Ausstattung mit Stiften und Papieren
- festes Depot an Stiften und Zetteln, verschiedene
Stifte, verschiedene Blätter
- Möglichkeit zum Gespräch anbieten
- besondere Schreibgeräte in der Schule
- Schreibmaschine (Vermittlung der Konventionen
des Schreibens: Links-Rechts-Orientierung, Kennzeichnen von Wortgrenzen
durch Lücken, Groß-/ Kleinschreibung, unterschiedliche Formen
von Druckbuchstaben)
- Stempelkästen
- Computer
- Ausstattung einer Leseecke
- gemütlich einrichten
- Bücher und Hefte gut zugänglich machen
Gründe für die Druckschrift als erste Schrift
- schreibentwicklungsspezifische Aspekte
- Feinmotorik wird geschult
- begünstigt den Erwerb von Rechtschreibsicherheiten
- lernspezifische Aspekte
- einfache, klare, prägnante Buchstabenform
- Formen leichter erlernbar
- frühzeitig und selbständig eigene Texte
produzieren
- knüpft an die von Kindern gewählte
Schrift an
- motivationale, kommunikative Aspekte
- eigene Texte und Texte von Mitschülern können
leichter gelesen werden
- energieökonomisches Lernen (keine Zeit für
Schwungübungen verbrauchen)
- schnelle Anwendung in anderen Lernbereichen möglich
10.3 Schreibentwicklungstabelle
- Kinder müssen sich aktiv entdeckend mit der
Schriftsprache auseinandersetzen
- alle Kinder durchlaufen bestimmte Phasen (6 Etappen
der Entwicklungstabelle)
- anderer Blickwinkel auf Fehler: zeigen uns den Entwicklungsstand
der Kinder, müssen nicht unbedingt verhindert werden
1. Phase: Vorkommunikative Aktivitäten
- ab ca. 2 Jahre
- Spuren mit Schreibgeräten auf Papier
- Kritzelbilder
2. Phase: Vorphonetisches Stadium
- ca. 3 -5 Jahre
- Kritzelbriefe als Mitteilungen
- erste Buchstabenformen
- Buchstabenverwendung ohne Erfassung der Phonem-Graphem-Zuordnung
(PGZ)
- Verwendung beliebiger Buchstaben für ein Wort
3. Phase: Halbphonetisches Stadium
- 4 - 6 Jahre
- erste Vorstellung, dass Buchstaben die Laute eines
Wortes sind
- erste bewusste PGZ
- Abbildung von Lauten, die für Kinder prägnant
sind
- Wortfragmente (2 oder 3 oder 4 Buchstaben für
ein Wort)
4. Phase: Phonetische Phase
- 5 - 7 Jahre
- Verfeinerung der Fähigkeit, Lautstruktur von
Wörtern abzubilden
- Lautfolgen von Wörtern werden nach rein phonetischen
Regeln abgebildet
- Lautanalyse erfolgt nach Lautung der Umgangssprache
- Einhaltung von Wortgrenzen wird sicherer
5. Phase: Phonetische Umschrift
- ab ca. 6 - 7 Jahre; ab 1. - 2. Schuljahr
- Gespür für orthographische Regelmäßigkeiten
- neue Schreibstrategien werden teilweise übergeneralisiert
- zunehmende Sicherheit im Schreiben von geübten
Wörtern des Grundwortschatzes; Schreiben neuer Wörter wird hierdurch
beeinflusst
6. Phase: Übergang zur entwickelten Rechtschreibfähigkeit
- ab 8 - 9 Jahre; ab 2. Schuljahr
- grundlegende Kenntnisse über unser Rechtschreibsystem
- neben akustischer Lösungshilfe tritt visuelle
Korrekturhilfe , Schreibweise von Wörtern wird erprobt, visuell beurteilt
und ggf. korrigiert
- Sicherheit in der Schreibweise von Wörtern des
Grundwortschatzes
11. Bedeutung der Orthographie
- der Orthographie kommt in unserer Gesellschaft größte
Bedeutung zu
- wer schriftliches produziert, muss dies orthographisch
korrekt tun, oder aber in künstlerischer Absicht die Orthographie variieren
- Grundschüler wird vom ersten Tag seines schriftsprachlichen
Lernprozesses an damit konfrontiert, dass jedes Wort eine ihm eigene Schreibung
hat, die es zu beachten gilt
- es wird auch von Beginn an darauf hingewiesen, dass
ein bezug besteht zwischen der Lautung eines Wortes und seiner Schreibung
- aus der unbestrittenen Tatsache, dass Schrift etwas
anderes ist, als die Abbildung von Lautsprache sollte die didaktische Konsequenz
gezogen werden, dass Schreiben dann auch nicht als Erwerb von Techniken
zur Übertragung gesprochener Sprache in Folgen von Schriftzeichen gelernt
werden soll
- sprachwissenschaftliche Rekonstruktion des deutschen
orthographischen Systems muss als eher dürftig bezeichnet werden
- die Orthographieregeln des DUDEN unterstellen eher,
dass es kein orthographisches System gibt, sondern stilisieren sich selbst
zu einem versuch, eine gewisse Ordnung in ein allgemeines Chaos zu bringen
- Schüler lernen trotz der Kenntnis von Rechtschreibregeln
orthographisch korrekt schreiben
- möglicherweise haben Lernerfolge vieler Schüler
ihre Ursache darin, dass diese intuitiv sich die Systematik der Orthographie
aneignen und ihr folgen, ohne sich dabei durch die zur Verfügung gestellten
Wissenselemente über angebliche orthographische Regularitäten
stören zu lassen
- Was hat der Anfangsunterricht mit Aneignung von Orthographie
zu tun?
- wenn der Schrifterwerbsprozess von Beginn an auf
die orthographische Korrektheit gelenkt wird und Sprache wie Bewusstseinsinhalte
nur in dem Maße verarbeitet werden können, in dem sie orthographisch
korrekt abgebildet werden können, so tritt bei vielen Schülern
zu Beginn eine äußerste Einschränkung schriftlicher Handlungsmöglichkeiten
ein
12. Didaktische Umsetzungsmöglichkeiten
- Lernverfahren und Lernstrategien
- in der bisherigen Forschung wurde den Lehrstrategien,
den Methoden und dem Lehrerverhalten viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt,
wohingegen die Lernstrategien der Schüler stets zu kurz gekommen sind
- Lernerfolge werden immer eher als Resultat von spezifischen
Lehrimpulsen betrachtet, da im Lernerfolg der Sinn von Lehrtätigkeit
zutage tritt
- Misserfolge im Lernen werden in Gründen gesucht,
die vom Lehrprozess her gesehen extern sind, nämlich in individuellen,
sozialen, familiären usw. Dispositionen der Lerner
- werden die Gründe für Misserfolge des Lernens
in Lehrverfahren gesucht, so meistens in der Auseinandersetzung zwischen
verschiedenen miteinander konkurrierenden Konzeptionen für den Lehrprozess
- Gegenüberstellung von Lehr- und Lernprozess
geht von einer scheinbaren Autonomie des Lernens aus, die so in unserer
Kultur kaum noch existiert
- unterstellt, es gebe den motivierten, von eigenen
Interessen geleiteten Lerner, der im Kontext seiner sozialen Praxis
handelt und dabei zwangsläufig dazulernt
- unterschiedliche Voraussetzungen zwischen Kindern
(und Erwachsenen) für institutionelle Lernprozesse, die mit Schichtzugehörigkeit,
dem Maß der Zerrüttung von Familienverhältnissen oder der
Stellung in der Geschwisterreihe korrelieren, könnten vielleicht auch
damit erklärt werden, dass die bisherige Sozialisation in einem sehr
verschiedenem Maße pädagogisiert verlaufen ist
- die Wahrnehmung der eigen Person wie die der
anderen Menschen erfolgt in bildungsfernen Kreisen noch unter unmittelbar
sozialen, bedürfnisorientierten Gesichtspunkten, wo planerisch-pädagogische
Reflexionen angemessen wären, um auch in pädagogisierten institutionellen
Lernprozessen bestehen zu können
- Kritik:
- es existieren Lernstrategien von Kindern, die
von Unterweisungstechniken systematisch ignoriert werden
- es gibt kindliche Kenntnisstrukturen und Forschungsstrategien,
die im Hinblick auf die pädagogisch angestrebten Ziele nicht verwendet
werden
- Wissen, das nicht in der Redeweise von lehrenden
ausgedrückt wird, wird oft als fehlerhaftes Wissen oder als Nichtwissen
qualifiziert
- Strategien der Aneignung von Fähigkeiten,
die als solche unerkannt bleiben, werden oftmals allenfalls als Desinteresse,
eher als Störung des allgemeinen pädagogisch organisierten
Lernprozesses interpretiert
13. Didaktische Prinzipien
für ein
erfolgreiches Lesen- und
Schreibenlernen
- das Kind dort abholen, wo es steht
- mit Hilfe des Stufenmodells können LehrerInnen
Stärken und Schwächen von Kindern beim Lesen- und Schreibenlernen
erkennen und geeignete Fördermöglichkeiten zur Hinführung
zur „Zone der nächsten Entwicklung" wählen
- Grundsatz: optimale Passung zwischen der Aneignungsstufe
und dem Lernangebot herstellen
- Anwendung einer sachadäquaten Methode beim Schriftspracherwerb
- Kinder lernen am effektivsten lesen und schreiben,
wenn sie mit Hilfe des analytisch-synthetischen Verfahrens direkt zur
Erfassung der Struktur der Alphabetschrift angeleitet werden
- Kinder prägen sich einfach strukturierte
Wortbilder (Schlüsselwörter) ein, die von Anbeginn an voll
durchgegliedert werden, und zwar mit allen Sinnen:
- visuelles Erfassen und Gliedern
- lautliches Unterscheiden, Mitartikulieren
und Nachsprechen
- Hantieren mit Buchstaben- und Wortkarten
- Legen, Nachfahren und Schreiben von Buchstaben
und Wörtern
- Kinder sollen Einsicht in alphabetisches Prinzip
zunächst über einfach strukturierte Wörter erlangen,
die aus eingliedrigen und möglichst eindeutigen Schriftzeichen
bestehen
- Integration von Lesen- und Schreibenlernen von Anfang
an
- Verzahnung von Lesen- und Schreibenlernen unterstützt
das Erlernen der charakteristischen Merkmale der Buchstaben und das
Erkennen der alphabetischen Struktur unserer Schrift
- motivationaler Effekt des gleichzeitigen Lesens
und Schreibens, denn Kinder wollen von Beginn an auch schreiben bzw.
Buchstaben, Wörter und Texte abmalen
- einheitliche Schrift zum lesen und Schreiben
wählen
- Vorzüge des anfänglichen Schreibdruckens
- knüpft an vorschulische Erfahrungen
der Kinder an
- fällt Kindern wegen der einfachen Strukturelemente
leicht und kann ohne Vorübungen begonnen werden
- eröffnet die Möglichkeit, Schreibenlernen
von Beginn an als kommunikative Handlung erfahrbar zu machen
- für einen Einstieg mit Großantiqua-Buchstaben
spricht:
- hoher Bekanntheitsgrad (zu Schulbeginn können
fast alle Kinder ihren eigenen Namen in Großbuchstaben schreiben
und sie kennen mindestens drei- bis viermal so viele große
wie kleine Buchstaben)
- leichtere Unterscheidbarkeit (große Buchstaben sind leichter voneinander
zu unterscheiden als kleine)
- leichte Einprägbarkeit (Großbuchstaben
sind prägnanter und auffallender; wichtige Textinformationen
sowie den Kindern bekannte Produktnamen werden so geschrieben)
- leichte Schreibbarkeit (durch das Schreiben
der großen Druckbuchstaben wird die Handmotorik so geübt,
dass der Übergang zur Gemischtantiqua und zu verbundenen Schriften
ohne zusätzliche schreibmotorische Übungen vonstatten
gehen kann)
- Kindgemäßheit (bei spontanen Schreibversuchen
benutzen Kinder fast ausschließlich Großantiqua-Buchstaben
- historische Argumente
- Ermöglichung und Förderung eigener Schreibversuche
- freies Schreiben kann deshalb keine ausschließliche
Methode sein, sondern nur eine mögliche Aktivitätsform im
Rahmen vielfältiger schriftsprachlicher Betätigungen
- Kinder brauchen geraume Zeit, bis sie zur vollständigen
Lautanalyse, der Voraussetzung für freies Schreiben, in der Lage
sind
- Anlauttabelle: Kind kann zu einem Laut den entsprechenden
Buchstaben finden, indem es den Laut im „Anlaut-Verfahren" mit
den Anlauten der Bilder vergleicht
- mit Hilfe des Schlüsselwortverfahrens können
Kinder die visuelle, auditive und sprechmotorische Durchgliederung eines
Wortes an einem vorliegenden Schriftbild erfahren und von Beginn an
das orthographisch richtige Schreiben erlernen
- Kinder lernen mit Anlauttabellen die Strategie
„Schreibe-wie-Du-sprichst", eine häufig unzureichende Strategie,
die höchstens dann erfolgreich ist, wenn die Kinder über die
hochdeutsche Aussprache und über gute deutsche Sprachkenntnisse
verfügen
- Motivation zum Schriftspracherwerb schaffen
- extrinsische Motivierungen sind nötig und
sinnvoll
- Spielfiguren, Handpuppen: Möglichkeiten,
die ersten Lesewörter in lebendige Erlebnissituationen einzubetten
und so bei den Kindern eine hohe Motivation zur Nachahmung freizusetzen
- weitere wichtige Motivation erfahren Kinder durch
sinnvollen gebrauch von Schriftsprache, wenn Lesen und Schreiben in
kommunikativ relevante Situationen eingebettet sind
- Differenzierung, aber wie?
- Differenzierung sollte in den ersten Schuljahren
vorrangig unter sozialem Aspekt erfolgen und erst in zweiter Linie unter
dem Leistungsaspekt, zumal das strenge Differenzieren in homogene Leistungsgruppen
sich als unvorteilhaft für die sozial-emotionale Entwicklung der
Kinder der schwächeren Gruppen herausgestellt hat
- dreischrittiges Vorgehen für jeden Unterricht:
- Ausgehen von einer gemeinsamen Basis (Kinder
lernen an einem gemeinsamen Lerngegenstand)
- Differenzierung (Phase, in der nach Lerntempo
und Schwierigkeitsgrad differenziert wird)
- Phasen der Freiarbeit und des offenen Lernens
(neben dem gemeinsamen Unterricht sollten die Kinder Zeit für
freie Arbeit erhalten, in der sie sich allein oder mit einem Partner
Aufgaben und Materialien auswählen und ihr Lerntempo selbst
bestimmen können; Zeit zur Beobachtung, Beratung und Ermunterung
der Kinder sowie zur Förderung einzelner Kinder mit Lernschwierigkeiten)
- Selbständigkeit des Kindes ermöglichen
durch sorgsam strukturierte Lernhilfen
- erste Phasen des Lese- und Schreibunterrichts:
sorgfältig strukturierter Lehrgang, der nach dem Prinzip der Isolierung
der Schwierigkeiten aufgebaut ist, ist am günstigsten für
alle Kinder
14. Überlegungen zu
einer Pädagogik
und Didaktik des Schriftspracherwerbs
auf konstruktivistischer Grundlage
- dreischrittiges Verfahren:
- Was kann das Kind schon?
- Was soll es lernen?
- Welches könnte der nächste Schritt
sein?
- wichtige und positive Rolle der Fehler
- sind für den Beobachter das zuverlässigste
Fenster in den von außen ansonsten relativ unsichtbaren Lernprozess
- Ansatzpunkt der Planung ist immer das erreichte
Können des Kindes
- Gestaltung der Lernumgebung:
- Authentizität und Situiertheit
- Schrift sollte in sinnvollen Anwendungskonzepten
zur Auseinandersetzung auffordern
- Kinder sollten erkennen können, dass
der Umgang mit Schrift ihnen hilft, bestimmte Lebenssituationen
erfolgreicher zu bewältigen
- unmittelbare Erfahrung von Sinn und Funktion
der Schrift
- multiple Kontexte
- Schrift sollte in ihren unterschiedlichen
Anwendungsmöglichkeiten genutzt werden können, um einen
flexiblem Schriftumgang sicherzustellen
- gerade die vielfältigen Anwendungsbereiche
von Schrift und ihr Vorkommen in fast allen Lebensbereichen schaffen
beste Voraussetzungen dafür, dass Kinder ihren je eigenen Zugang
zum Gegenstand finden können
- multiple Perspektiven
- Kinder sollten die Möglichkeit haben,
Schrift aus unterschiedlichen Perspektiven sehen zu können
- Erfahrung, dass es auch andere Schriften
gibt, die ihre Funktion ebenso erfüllen, eröffnet Möglichkeit
zur Reflexion über Schrift
- Perspektiven für die Anwendung und Verwendung
von Schrift werden vielfältiger
- sozialer Kontext
- Lernumgebung sollte kooperatives Arbeiten
und gemeinsamen Austausch über die Erfahrungen fördern
- viele Materialien, die im Schriftspracherwerb
eingesetzt werden, erfüllen diese Funktion
- es entsteht Raum für Ko-Konstruktion,
für die Erprobung und Kontrolle des erreichten Könnens
und nicht zuletzt wieder für das gemeinsame Nachdenken über
Schrift
- Raum für Eigentätigkeit
- Freiheit und Selbständigkeit im Umgang mit
dem Gegenstand Schrift eröffnen
- verstärkte Öffnung des Unterrichts
- Klima der Akzeptanz in der Klasse unterstützt
Toleranz
- Inseln der Reflexion
- damit Wissen Bedeutung erlangt, muss es reflektiert
werden
- Kinder erkennen so nicht nur wachsend die Bedeutung
von Schrift in ihrer Umwelt, sondern erwerben auch ein Konzept ihrer
eigenen Tüchtigkeit, ihrer eigenen Lern- und Leistungsfähigkeit,
das für das weitere Lernen in der Schule grundlegend ist
- Zeit für Gespräche über das Schreiben-
und Lesenlernen, Zeit für Schreib- oder Lesekonferenzen
- Schriftsprache wird zum Gegenstand gemacht
15. Möglichkeiten
des Stempelns und
Druckens
15.1 Das Verbundstempelprinzip
- zur Entlastung der koordinativen und feinmotorischen
Anforderungen an Auge und Hand beim manuellen Schreiben können Buchstabenstempel
eingesetzt werden
- im traditionellen Stempelkasten muss jeder Buchstabe
eines zu stempelnden Wortes isoliert gesucht, gefärbt, gestempelt und
rücksortiert werden, so dass das Wort analytisch in seine Einzelelemente
zerfällt und die Synthese, wenn sie überhaupt noch vollzogen wird,
nicht mehr im direkten Bezug zum eigentlichen Schriftproduktionsakt steht
- beim Verbundstempelprinzip lassen sich nach dem Prinzip
der LEGO-Steckverbindungen einzelne Buchstaben zu Wörtern, Phrasen
und kleinen Sätzen - entsprechend der Größe der kindlichen
Hand und des Stempelkissens bis zur Breite einer DIN-A5-Zeile - zusammenstecken
und bis zum eigentlichen Stempeldruck ständig auf richtige Anordnung
und Vollständigkeit kontrollieren sowie bei Bedarf korrigieren
- entscheidende Vorteile des Verbundstempelprinzips:
- durch die mit dem Steckprinzip gegebene problemlose
Handhabung und die übersichtliche Anordnung der Stempel in dem
Kasten werden Auge und Hand koordinativ und feinmotorisch weitestgehend
entlastet
- Kind kann sich bei der Wortproduktion voll auf
die Buchstaben und ihre Reihenfolge konzentrieren
- Analyse und Synthese der Wörter erfolgen
integrativ und werden im Prozess des Zusammenfügens der Buchstaben
in einer Weise handgreiflich-materiell erfahren
- bis zum Moment des Abstempelns bleiben durch
die Buchstabenabbildungen an der Stempeloberfläche Kontroll- und
Korrekturmöglichkeiten erhalten
- das Ergebnis ist ein sauberes gleichmäßiges
und fehlerkontrolliertes Schriftbild mit exakter Linieneinhaltung und
regelmäßigem Buchstabenabstand
- Ausgangspunkt beim Einsatz des Verbundstempelkastens
liegt bei der Produktion von Wörtern
- es wird jedoch nicht bei der isolierten Wortproduktion
stehen geblieben, sondern im Rahmen der Möglichkeiten des Buchstabeninventars
und des physischen Leistungsumfangs der kindlichen Hand fortgeschritten
zur Analyse und Synthese größerer sprachlicher Einheiten,
so dass auch die semantische und syntaktische Seite der Schriftsprache
mit in den Lernprozess einbezogen werden
- Druckbuch
- damit sprachlich-kognitiv behinderte Kinder,
aber auch Kinder auf prä- bzw. aliteralem Niveau bezüglich
ihres Wissens um Schrift die Verbundstempel in dem intendierten Sinne
nutzen können, sind didaktisch vermittelnde Anlässe notwendig,
bei denen die Kinder in für sie bedeutungsvollen, verstehbaren
und motivierenden Situationen Schriftproduktion sinnlich-tätig
erfahren können
- Druckbuch mit Kopiervorlagen
- lehrgangs- und methodenneutral
- Ziel ist vielmehr, durch das mit dem Heft gegebene
Aufgabenangebot zum entdeckenden Schriftgebrauch von Anfang an anzuregen
und Kinder wie auch Lehrer zu weiteren eigenständigen Aktivitäten
auf dem Weg zur Schrift zu motivieren
- thematische Auswahl von Lernsituationen
- Elemente des Laut- und des Schriftsystems und
ihrer Zuordnung, die die Erfassung des Prinzips der Alphabetschrift
beinhalten und sich damit auf eine schon fortgeschrittenere Stufe der
schriftsprachlichen Aneignung beziehen, sind nicht Gegenstand des Druckbuches
15.2 Die Vorschule des Druckens: Stempeldruckmaschine
- Grenzen des Verbundstempelsystems: wenn Kinder das
Prinzip der Alphabetschrift weitgehend erfasst haben und zur Produktion
von Sätzen und kleinen Texten übergehen wollen
- Stempeldruckmaschine ermöglicht das Setzen und
vervielfältigende Drucken von kleinen fünfzeiligen Texten im DIN-A5-Format
- Stempeldruckmaschine ist in der Handhabung einfacher,
da sie durch ihre spezielle Konstruktion die besonders für jüngere
und behinderte Kinder problematische Spiegelverkehrung der Buchstaben vermeidet
- Argument für die Stempeldruckmaschine: Textgestaltungserlebnis,
nicht nur als sprachliche, sondern auch als ästhetische erlebte Produktion
durch ein schon für jüngere und sprachlich-kognitiv behinderte
Kinder bewältigbares Medium
- ideales, leicht annehmbares unterrichtsorganisatorisch
wenig aufwendiges Medium, um Textproduktion und -gestaltung bei sprachbehinderten
Kindern anzuregen
- Förderung des Lesens in teilweise explizit beobachtbarer
Weise
15.3 Die Schuldruckerei nach Freinet
- handwerkliches Drucken mit Bleilettern als Medium
zur freien Textproduktion und -gestaltung in der Schule im Zusammenhang
mit einer Höherbewertung des Schreibens im Anfangsunterricht gewinnt
auch die Druckerei mit ihren gestalterischen Möglichkeiten zunehmend
an Bedeutung
16. Störungen des
Schriftspracherwerbs
- Lernprobleme können dadurch entstehen, dass
Kinder Modellvorstellungen und Lernstrategien aufweisen, die dem Lerngegenstand
Orthographie nicht angemessen sind
- viele Orthographiefehler entstehen aus einer falschen
Regelbildung
- vor allem rechtschreibschwache Kinder nehmen
Verdoppelung von Konsonanten nicht vor, weil sie falsche Regel gebildet
haben
- bei der Großschreibung von Nomen haben
vor allem schwache Rechtschreiber Schwierigkeiten aus drei Gründen:
- verwenden vorwiegend eine einzige Regel starr
und mechanisch
- Schwierigkeiten die grammatikalische Wortklasse
zu erkennen
- Kinder bilden häufig Regeln mit einer
privaten Logik
- rechtschreibschwache Kinder verfügen über
weniger effektive Lerneinstellungen zur Orthographie sowie über eine
geringere Kenntnis effektiverer Strategien und methodischer Vorgehensweisen
zum Behalten eines Wortes
- Entwicklungsdefizit bei Rechtschreibschwachen: sind
auf unterster ebene der Schriftsprachentwicklung stehen geblieben, weil
sie größere Hürden zu überwinden haben
- langsames Lernen wird zum Versagen, weil die
Lernanforderungen, die an die Gesamtklasse gestellt werden, keine optimale
Passung mit ihren Lernvoraussetzungen bilden; emotionale Faktoren kommen
hinzu
- Zwang zur Leistungsbeurteilung führt dazu,
dass langsames Lernen vom Kind und der Lehrerin als Misserfolg gedeutet
wird, was beim Kind zu Leistungsversagenserlebnissen und dem bekannten
Teufelskreis führt
17. Literatur
- Valtin, Renate (1998):
Erwerb und Förderung schriftsprachlicher Kompetenzen aus grundschulpädagogischer
Sicht. In: Huber, Ludowika/ Kegel, Gerd/ Speck-Hamdan,
Angelika (Hrsg.): Einblicke in den Schriftspracherwerb.
Braunschweig: Westermann, 59-74
- Speck, Hamdan (1998):
Individuelle Zugänge zur Schrift - Schriftspracherwerb aus konstruktivistischer
Sicht. In: Huber, Ludowika/ Kegel, Gerd/ Speck-Hamdan,
Angelika (Hrsg.): Einblicke in den Schriftspracherwerb.
Braunschweig: Westermann, 101-109
- Günther, Klaus B. (1989): Schrift und Schreiben in der frühen Phase des Schriftspracherwerbs.
In: Günther, Klaus B. (Hrsg.): Ontogenese, Entwicklungsprozess und Störungen beim Schriftspracherwerb.
Heidelberg: Schindele, 206-288
- Giese, Heinz W. (1989):
Handlungsorientierter Erwerb orthographischer Fähigkeiten - Thesen
und Beispiele zu den Anfängen des schulischen Schriftspracherwerbs.
In: Günther, Klaus B. (Hrsg.): Ontogenese, Entwicklungsprozess und Störungen beim Schriftspracherwerb.
Heidelberg: Schindele, 389-405