Definition, Aufgaben und Inhalte
- Definition:
- ärztliches Angebot an alle, die eine genetisch bedingte Erkrankung
oder Behinderung oder ein genetisch bedingtes Risiko für sich selbst
oder Nachkommen befürchten kassenärztliche Leistung sehr zeit-
und personalaufwenige ärztliche Tätigkeit
- Aufgaben und Inhalte
- Klärung der Motivation zur und die Erwartungen an die genetische
Beratung
- Anamnese, Befunderhebung bzw. Befundinterpretation mit nachfolgenden
Informationen zur Klinik und Genetik sowie gegebenenfalls zu weiterführenden
genetischen Diagnostik einer in Frage stehenden Erkrankung
- weitere Entscheidungsfindung bzw. Besprechung von Entscheidungsalternativen
hinsichtlich weiterführender Diagnostik oder Familienplanung, Informationen
und Entscheidungsalternativen werden zur persönlichen Lebenssituation
der Patienten bzw. Klienten in Beziehung gesetzt
- Beachtung und Respektierung der individuellen Werthaltungen einschließlich
der religiösen Einstellungen
- Bewältigung von Problemen erleichtern, die im Gefolge von genetischer
Diagnostik bzw. durch neue, belastende Informationen wie z.B. die über
erhöhte Erkrankungsrisiken entstehen können
- Klientel:
- vorwiegend Frauen über 35 Jahren, die Sicherheit über
Gesundheit des Kindes haben wollen
Geschichte der Humangenetischen Beratung
- Erste Humangenetische Beratungsstelle
- gegründet von WENDT 1972
- Zitat von Wendt (1970): "MedizinerInnen verhalten sich gegenüber
dem Phänomen Behinderung so, wie ein Mensch, der sich verzweifelt
bemüht, das Wasser aus seiner Wohnung zu schöpfen, der aber
nicht daran denkt, den defekten Wasserhahn zu verstopfen!"
- Geschichte
- früher folgende Ausmerzgründe:
- ökonomische Begründung
- biologische Begründung (Verderb des Erbguts)
- psychologische Begründung (sind es nicht wert, zu leben)
- Sozialdarwinismus
- Francis Galton: Eugenik
- Hitler: Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses
- USA: teilweise wurden keine Ausländer ins Land gelassen, um
Reinrassigkeit zu gewähren
- 1924 Gesetz zur Sterilisation, allerdings lockerer gehalten
als in Deutschland seiner Zeit
- nach 1945 verschwand der Begriff „Humangenetik" in Deutschland,
weil er zu viele negative Assoziationen barg
- Gates aus den USA brachte den Begriff „Human Genetics" wieder
nach Deutschland
- 60er Jahre: es gibt nun den Studiengang "Biogenetische Grundlagenforschung"
Paradigmen
- zeitliche Abfolge bzw. Ablösung der Paradigmen
- das eugenische Paradigma:
- Ziel: Gesundheit und Verbesserung des Genpoles einer Bevölkerung
in zukünftigen Generationen (offiziell keine Zwangsabtreibung)
- Mittel: Mittel von Direktivität und mittelbarem oder unmittelbarem
Zwang im Kontakt mit Patienten und Klienten
- das präventivmedizinische Paradigma
- Ziel 1: individuelle Leidensminderung durch Verhinderung von genetisch
bedingten Erkrankungen und Behinderung
- Ziel 2: ökonomische Verteilung knapper Ressourcen im Bereich
der medizinischen Versorgung (Beratung des Arztes dahingehend , dass
ein Kind mit Behinderung zu teuer ist und eine Abtreibung durchgeführt
werden sollte)
- 1:51 - Kosten-Nutzen-Quotient (von Stackelberg 1981 aufgestellt,
Volkswirtschaftler, der den Bundesökonomiepreis gewann): Effizienzanalyse
genetischer Beratung (man steckt 1,- DM in die humangenetische Beratung
und spart 51,- DM dafür ein)
- als Ressourceneinsparung bei Therapie, Rehabilitation und Pflege
- als Investition in das produktive Humanvermögen
- als Abschätzung der Ertragsraten dieser "Vermögenskategorie"
- das psycho(soziobio-) logische Paradigma
- Ziel: individuelle Hilfe für ein Individuum oder eine Familie
in einer Problemsituation, die durch das Auftreten einer genetisch (mit-)bedingten
Erkrankung oder durch das Risiko hierfür entstanden ist
- dient nur der Beratung - die Entscheidung liegt beim Betroffenen
- Nicht-Direktivität im Kommunikationsprozess: geht von der prinzipiellen
Entscheidungsautonomie des Patienten bzw. Klienten hinsichtlich der
Inanspruchnahme von genetischer Beratung und Diagnostik sowie hinsichtlich
der persönlichen Lebens- und Familienplanung aus
Beratungskonzepte
- Diagnostik nur für Personen, die mit bestimmten Risiken vorbelastet
sind (Behinderung oder Erkrankung liegt vor)
- Konzept ist durch die Praxis überholt
- Diagnostik nur bei erkennbarem erhöhtem genetischen Risiko
- großes Klientel und Unmöglichkeit, es strikt zu begrenzen:
Trias Beratung- Diagnostik-Beratung wird weitgehend aufgehoben
- Diagnostik auf individuelle Entscheidung
- macht beträchtliche Ausweitung der Beratungskapazitäten
sowie neue Überlegungen im Hinblick auf die Aufgaben des Arztes
und die Kooperation mit nicht-ärztlichen Fachleuten erforderlich