Aufgrund einiger Nachfragen möchte
ich hier besonders darauf hinweisen, dass ich mich bei der Klassifizierung der
Behinderungsformen berufe auf:
Heinz Mühl (1994): Einführung in
die Geistigbehindertenpädagogik. Stuttgart, Berlin, Köln: Kohlhammer
Darüber hinaus handelt es sich
bei den beschriebenen Symptomen selbstverständlich um mögliche Symptome. Nicht
jeder betroffene Mensch weist alle angeführten Symptome auf.
Allgemeines
- ca. 7-10 %
der geistigen Behinderungen sind metabolisch verursacht
Störungen des Aminosäurestoffwechsels
Ahornsirupkrankheit (Leucinose/
MSUD)
Erklärung:
- autosomal rezessiv vererbt
- bestimmte Aminosäuren (Leucin, Isoleucin und
Valin) können nicht abgebaut werden, sammeln sich im Blut an und werden
mit dem Harn ausgeschieden
Häufigkeit:
Symptome:
- im Neugeborenenalter:
- Trinkschwäche
- Erbrechen
- Muskelhypotonie
- Atemstörungen
- Krampfanfälle
bis zum Koma
- allgemein:
- Urin riecht stark nach Ahornsirup bzw. Maggi
- schwere neurologische Symptomatik
- geistige Behinderung
Therapie:
- Dauerschäden sind nur durch frühestmögliche, konsequente,
lebenslange Diät zu vermeiden
Histidinämie
Erklärung:
- autosomal rezessiv vererbt
- Mangel oder verminderte Aktivität der Histidase in Haut u. Leber
- Folge sind
Histidinurie sowie assoziierte Alanin- u. andere Stoffwechselstörungen
Symptome:
- Störungen der Sprachentwicklung
- Krampfanfälle
- Ataxie
- Minderwuchs
- fahlblondes Haar
Therapie:
- Diät
(histidinarme Sondernahrung)
Hyperglyzinämie
(Glykokollkrankheit)
Erklärung:
- autosomal rezessiv vererbt
Symptome:
- bereits am ersten Lebenstag:
Prognose:
- meistens Tod innerhalb des ersten Lebensmonats
Hartnupsche Krankheit
Erklärung:
- autosomal rezessiv vererbt
- Stoffwechselstörung
Häufigkeit:
Symptome:
Homozystinurie
Erklärung:
- autosomal rezessiv vererbt
- Enzymdefekt im Stoffwechsel des Homocysteins
- Folge: Überschuss von Homocystein im Blut
Häufigkeit:
- 1:120.000 bis 1:300.000 (je nach Autor)
Symptome:
- Schäden am
Gefäßendothel
(Folge: Arterioslekose
sowie Thrombosen und Embolien, die vorwiegend Gehirn, Herz, Lungen und Nieren
betreffen)
- körperlicher Hochwuchs, Arachnodaktylie, Trichterbrust
- Osteoporose, die vor allem zu einer
Abflachung von Wirbelkörpern und dadurch zu einer Verformung der Wirbelsäule
führt
- verzögerte geistige
Entwicklung
- Verhaltensstörungen im Sinne einer Schizophrenie
- Schädigungen des Auges: Linsenektropie,
Glaukom,
extreme Kurzsichtigkeit
Prognose:
- je jünger
die Betroffenen zum Zeitpunkt des Auftretens der Erkrankung sind, umso häufiger
und schwerwiegender sind Störungen der geistigen Entwicklung
Phenylketonurie
Erklärung:
- autosomal rezessiv vererbt
-
ein Gen auf dem langen Arm des Chromosoms 12 mutiert
- Störung des Aminosäurestoffwechsels:
- Alle eiweißhaltigen Lebensmittel tierischer und pflanzlicher Herkunft enthalten
die Aminosäure Phenylalanin.
- Normalerweise erfolgt in der menschlichen Leber in
Gegenwart eines Enzyms die Umwandlung von Phenylalanin in Tyrosin, eine andere
Aminosäure.
- Bei den PKU-Erkrankten ist aufgrund einer genetisch
bedingten Mutation das Enzym gar nicht oder nur teilweise aktiv.
-
Dadurch fehlt die Umwandlung von Phenylalanin in
Tyrosin ganz oder teilweise.
- Phenylalanin häuft sich in Blut und Geweben an und verursacht eine
Hirnschädigung, wenn die PKU nicht in den ersten Lebenswochen entdeckt und
sofort der behandelt wird.
Häufigkeit:
- 1:10.000 bis 1:15.000
(je nach Autor)
Symptome:
- psychomotorische Entwicklungsstörungen
- führt unbehandelt zu schwerer geistiger Behinderung (IQ <30)
mit epileptischen Anfällen
- verminderte Pigmentierung (blaue Augen, hellblondes Haar)
- Hypertonie der Muskeln
- Hirnkleinwuchs
- ekzemähnliche Hautveränderungen
- allgemeine
Übererregbarkeit
Diagnose:
Therapie:
- konsequente Spezialdiät mit phenylalaninarmer Kost (dann normale Intelligenzentwicklung)
- die besonderen Ernährungsmaßnahmen müssen lebensbegleitend beibehalten werden
Störungen des Kohlenhydratstoffwechsels
Galaktosämie
Erklärung:
- Abbaustörung für Milchzucker
- Galaktose kann nicht vollständig in nutzbare
Energie umgewandelt werden, sondern bleibt als Galaktose-1-Phosphat im Gewebe
Häufigkeit:
Symptome:
- in den ersten Tagen nach der Geburt fallen die Kinder nicht auf
- Symptome bei Säuglingen nach ca. 4 Lebenstagen:
- Trinkunlust
- Erbrechen
- Apathie
- Gedeihstörung
- verlängerte Gelbfärbung als
Ausdruck einer Leberstörung
- vergrößerte Leber
- Flüssigkeitsansammlung in der Haut und im
Bauch
- Störungen der Blutgerinnung
- Zeichen einer schweren
Infektion
- mögliche langfristige Folgen der Ablagerung von Galaktose-1-Phosphat im Gewebe,
die auch bei galaktosearmer Kost auftreten kann:
- Motorik und Bewegung
- verzögerte altersgemäße körperliche Entwicklung
- späteres Sitzen und Laufen
- Störungen der Grob- und Feinmotorik können gestört sein. Einige Patienten fallen auch
durch ein
- Intentionstremor
- Ataxie
- Sprache und Sprechen
- Schwierigkeiten beim Erlernen der Sprache und dem aktiven Sprechen
- eingeschränkter Wortschatz
- Schwierigkeiten mit Grammatik und Zeichensetzung
- eher selten verlernen Menschen mit Galaktosämie einen
Teil ihrer bereits erlernten Sprech- und Sprachfähigkeiten wieder
- Sehen und Wahrnehmen
- nur noch in ausgesprochenen Ausnahmefällen kann es zu Erblindung durch Trübung der Augen
kommen
- Schwierigkeiten in der
Verarbeitung und Einordnung von Dingen, die sie mit den Augen wahrgenommenen
haben.
- Lernen und Konzentrieren
- Leseschwäche
- Rechenschwäche
- Rechtschreibungsschwäche
- Konzentrationsstörungen h
- Knochen und Wachstum
- durch die galaktosefreie Diät ist die
Zufuhr von besonders gut verfügbaren Mineralien reduziert, so dass Probleme
im
Wachstum und der Stabilität der Knochen auftreten können, wenn Kalzium nicht
auf anderem Wege zugeführt wird
- Pubertät
- ein großer Teil der Mädchen mit Galaktosämie kommt
verspätet in die Pubertä
- ausbleibende oder verspätet einsetzende Regelblutung durch Hormonmangel
- Schwangerschaft und Kinderwunsch
- Menschen mit Galaktosämie erfüllen
alle körperlichen Voraussetzungen, um eigene Kinder zu bekommen
- Hormonmangel bei Mädchen führt jedoch dazu, dass die weiblichen
Geschlechtsorgane vorzeitig die Fähigkeit zur Aufnahme einer befruchteten
Eizelle verlieren, so dass Frauen mit Galaktosämie nur in Ausnahmefällen
schwanger werden und Kinder bekommen können
- Männliche Patienten betrifft der
Hormonmangel nicht. Sie können wie jeder gesunde Mensch auch Kinder zeugen.
Therapie:
- Bei Verdacht auf Galaktosämie muss die normale Ernährung (Stillen
oder normale Säuglingsnahrung) gestoppt werden und gegen eine Spezialmilch, die
weder Laktose noch Galaktose enthält, ersetzt werden.
- Nach der Umstellung
auf laktosefreie Milch bessert sich der Zustand des Kindes innerhalb weniger
Tage und Leberschädigung und Trübung der Augenlinse bilden sich in der
Regel vollständig zurück.
- lebenslange galaktosearme Diät ist notwendig
Mukolipidosen und Mukopolysaccharidosen
Symptome:
- Funktionsstörungen an Leber, Milz, Auge, Gehirn, Körper- und
Skelettbau
Formen der Mukopolysaccharidose:
- Hurler (MPS I)
- Scheie (MPS IS)
- Hurler-Scheie-Compound (MPS I H/S)
- Hunter (MPS II)
- Sanphilippo A (MPS III A)
- Sanphilippo B (MPS III B)
- Sanphilippo C (MPS III C)
- Sanphilippo D (MPS III D)
- Morquio A (MPS IV A)
- Morquio B (MPS IV B)
- Maroteaux-Lamy (MPS VI)
- Sly (MPS VII)
- Natowicz (MPS IX)
Störungen des Lipid- und Lipoidstoffwechsels
Symptome:
- bereits vorhandene Fähigkeiten werden abgebaut
Morbus Gaucher
Erklärung:
- ausgesprochen: goschee
- autosomal rezessiv vererbt
- Mutation des Glukozerebrosidase-Gens
auf dem langen Arm des Chromosoms 1
- Fettstoffwechselerkrankung: Mangel des Enzyms Glukozerebrosidase
- Glukozerebrosid, das normalerweise beim Abbau der Blutzellen anfällt,
kann
nicht weiter abgebaut werden
- Ansammlung von Glukozerebrosid in
den für den Abbau zuständigen Fresszellen
- diese sogenannten Gaucher-Zellen reichern sich vor allem in
Milz, Leber und Knochenmark anund bewirken dort eine
Vergrößerung und Funktionsstörung
Symptome:
- vergrößerte Milz und Leber
- Knochenkrisen und -infarkte
- Anämie
- Gerinnungsstörungen
- Wachstumsstörungen (bei
Kindern)
- sehr leichte bis sehr schwere Schmerzen
- kann in jedem Lebensalter auftreten
- progressive Erkrankung.
Formen:
- 3 Typen des Gaucher-Syndroms
- Typ 1
(chronische viszerale Form)
- Typ 2 (akute
neuropathische Form) kommen zu der
- zusätzlich zur Organbeteiligung des Typ 1
- schwere
Abbauprozesse des Nervensystems, die innerhalb der ersten 3 Lebensjahre zum
Tod führen
- Typ 3 (subakute
neuropathische Form)
- wie Typ 2, aber späterer Krankheitsbeginn und einen milderer Verlauf
- Beteiligung des
zentralen Nervensystems (fortschreitenden Abbau geistiger
Fähigkeiten, Augenbewegungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten, Störungen der
Bewegungsmotorik und Krampfanfälle)
- Patienten erreichen selten das dritte
Lebensjahrzehnt
Häufigkeit:
- durchschnittlich 1:40.000 Menschen
- am häufigsten ist der Typ 1,
- die Typen 2 und 3 sind beide sehr selten und treten bei weniger als 1:100.000 Menschen
auf
Therapie:
- Enzymersatz
- bei Typ 1 und Typ 3 können durch ständige, lebenslange
Infusionen mit dem Enzym die Krankheitssymptome von Milz, Leber und Knochen
verringert werden und sogar zum Stillstand kommen
- keine effektive Therapie der Hirnschädigung bei Patienten
mit dem Typ 3 und 2.
Prognose:
Morbus Niemann Pick
Typ A:
- Ursache:
- Gendefekt an Chromosom 11
- Aktivitätsmangel des Enzyms Sphingomyelinase
- Sphingomyelin
kann
nicht richtig abgebaut werden und sammelt sich in der Zelle an
- beginnt in den ersten Lebensmonaten
- schwere neurologische Erkrankung
- führt gewöhnlich innerhalb von 2 bis 5 Jahren zum Tod
- Symptome:
- Gelbsucht bei oder
kurz nach der Geburt
- Probleme bei der
Nahrungsaufnahme
- aufgetriebener
Bauch im Alter von 3-6 Monaten
- zunehmender Verlust
einfacher Fähigkeiten wie Laufen, Sitzen, Sprechen
-
sehr rascher körperlicher Verfall
Typ B:
- Ursache wie Typ A
- wenig oder keine neurologischen Beschwerden
- sehr variantenreich
- Symptome:
- in früher Kindheit aufgetriebener
Bauch aufgrund einer Milz- und Lebervergrößerung
- normalerweise erste Symptome während
der Kindheit (10.-12. Lebensjahr)
- Vergrößerung von Leber
und Milz
- hämatologische Anomalien wie Anämie
- Lungenschwierigkeiten, wie z.B. Kurzatmigkeit, Infektanfälligkeit
-
Kleinwuchs
- neurologische Auffälligkeiten
Typ C:
- Ursache:
- Gendefekt an Chromosom 18
- Defekt des Transportes (von zugeführtem
Cholesterin und anderen Stoffen) in der Zelle
- Anhäufung von Cholesterin und anderen
Stoffwechselprodukten
- normalerweise
bei Kindern im Schulalter (kann aber vom Baby- bis zum Erwachsenenalter ausbrechen)
- Symptome:
- Gelbsucht bei oder
kurz nach der Geburt
- vergrößerte Milz und
Leber
- Probleme mit Auf-
und Abwärtsbewegungen der Augen
- Schwierigkeiten bei
der Gliederstellung
- Dysarthrie
- Lernschwierigkeiten
und fortschreitender intellektueller Abbau
- Kataplexie
- Epileptische Anfälle
- Depressionen
- Schlafstörungen
- Kälte-/ Wärmeunempfindlichkeit
Leukodystrophien
Erklärung:
- Erbkrankheiten
- neurologische Erkrankungen, die Gehirn, Rückenmark und gelegentlich auch
periphere Nerven befallen
- progrediente Degeneration der weißen Substanz des Zentralen Nervensystems
- Folge: teilweise
treten
schwere neurologische und psychische Störungen auf
Symptome:
- sind aufgrund vieler verschiedener Formen unterschiedlich
- treten ganz allmählich auf
- Auftreten im Kindesalter
- Veränderungen der
Bewegungsabläufe und des Gangbildes
- Probleme bei der Nahrungsaufnahme und
- Probleme beim Sprechen
- Probleme beim Sehen und Hören
-
Verhaltensauffälligkeiten
- Beeinträchtigung von Erinnerungsvermögen und Intelligenz
- Auftreten im Erwachsenenalter
Prognose:
- ernstzunehmende Erkrankungen
- betroffene Kinder haben eine sehr begrenzte Lebenserwartung
-
den therapeutischen Möglichkeiten sind enge Grenzen gesteckt